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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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sprachen, und seit ihrer Trauung vielleicht unser fünftes oder sechstes Gespräch. Ich hatte ihr sogar Briefe geschrieben, drei ziemlich lange Briefe, auf die sie nicht reagiert hatte. »Ich habe viel zu tun, Martin«, sagte sie müde. Sie klang nicht glücklich. Wie auch? Ihr Bert war ein Arschloch, so viel stand fest, und ich fragte mich nach wie vor, ob es nicht falsch gewesen war, nach der Trauung die Schnauze zu halten. Muss man wirklich jeden Fehler selbst machen? Verdient man das Prädikat Freund, wenn man sich nicht einmischt, obwohl Einmischung geboten wäre? Keine Ahnung, wie Karen damit umgegangen wäre, wenn ich ihr an jenem Tag mitgeteilt hätte, dass ihr Bert gerade seine »beste Freundin« gevögelt hatte. Aber hätte ich ihr nicht die Möglichkeit geben müssen, das selbst zu entscheiden? Andererseits. Was, wenn ich mich irrte?
    Kurz nach der Hochzeit hatte ich einen Arzt aufgesucht, noch immer völlig frustriert wegen der Tatsache, dass meine Nase Geheimnisse verriet, die ich nicht kennen wollte. Er hatte erst einige Tests mit mir durchgeführt und war anschließendaufgeregt durch seine Praxis gehüpft. Ich erschnüffelte Proben, die kein normaler Mensch als solche ausgemacht hätte, und um ihm einen Gefallen zu tun, ließ ich ihn durch die Sechszimmerpraxis marschieren, um drei Minuten später seinen komplizierten Weg genau nachzugehen. Trotz der überwiegend sehr starken chemischen Gerüche war das kein Problem.
    »Vermutlich ein genetischer Defekt«, sagte er. »Vielleicht haben Sie mehr Rezeptoren als der Durchschnittsmensch. Man müsste das untersuchen. Ganz erstaunlich.«
    »Was kann man dagegen tun?«
    Es war ihm anzusehen, dass er diesen Gedanken nicht mochte. Lieber hätte er mich wahrscheinlich zum Forschungsprojekt gemacht.
    »Ich könnte Ihre Nasenschleimhäute veröden. Wenigstens teilweise. Aber es ist möglich, dass dann nur die Intensität der Wahrnehmung abnimmt, während die Palette bleibt. Es könnte Ihren Geruchssinn auch zerstören. Wollen Sie das?«
    Nein, wollte ich nicht. Es war sowieso eine Schnapsidee gewesen.
     
    Ich erwog auch, mein aktuelles Verhältnis in den Spreewald mitzunehmen. Kijara sah ich ein, zwei Mal pro Woche, was mir reichte; bereits nach zwei Monaten hatte die Soziologiestudentin damit angefangen, meine Wohnung umzugestalten und mir Vorschriften beim Essen zu machen. Es war nicht die erste Beziehung dieser Art und würde nicht die letzte sein. Das Angebot war, vorsichtig ausgedrückt, umfangreich. Ich bekam Liebesbriefe, denen nicht selten Fotos beigelegt waren, manchmal auch schlüpfrige (diese Post ließ ich von der Plattenfirma beantworten), wurde nach Auftritten von überwiegend weiblichen Fans erwartet, die sich oft relativ unsubtil anboten, und inzwischen auch häufiger in der Öffentlichkeit angesprochen. Etwas in mir fand es nicht richtig, dieKunstperson Martin Gold auf diese Art zu benutzen, aber ich war ein Mann – und ich tat nichts Böses. Gelegentlich wurde aus einer Nacht mehr, bis ich die Gerüche nicht mehr ertrug. Kijara (die Menschen im Osten hatten seltsame Dinge mit der Schreibung der Namen ihrer Kinder angestellt, aber der Westen zog nach) war ein solches Mehr, aber mein Interesse beschränkte sich auf etwas Zärtlichkeit und Ablenkung, was ich anfangs auch immer klarzumachen versuchte. Ernsthaftere Gespräche führte ich lieber mit den wenigen Menschen, denen ich tatsächlich vertraute – sechs an der Zahl.
    Also nahm ich sie lieber nicht mit.
     
    »Hier in der Nähe hatte Jürgen seinen Hof«, sagte Klaus-Peter, als wir aus dem Auto ausstiegen. Er hatte inzwischen wieder sein Normalgewicht erreicht. Ich nickte nur. Mein Vater wusste nichts von Jürgens wahrer Rolle in unserer Familiengeschichte. Und ich hatte beiden nur eine sehr sanfte Version davon erzählt, was mit Sonja geschehen war. Eine äußerst sanfte. Wenn die Wahrheit schwarz war und eine Lüge weiß, wäre meine Fassung vielleicht hellgrau gewesen, ein Hellgrau wie dasjenige der Dunstglocke über Athen.
    »Nett«, sagte Luise.
    Das war es.
    Im Stil skandinavischer Holzhäuser gab es ein großes Hauptgebäude und zwei weitere, flachere. Von außen wirkte es recht unprätentiös. Nur der Hubschrauberlandeplatz wies darauf hin, dass hier fünf Sterne plus zwei im Michelin für die Restaurants galten. Im Inneren war viel Geld in eine Form von Gemütlichkeit investiert worden, die nicht teuer wirkte, dafür aber äußerst behaglich. Ich mochte es vom ersten Augenblick

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