Sommerhit: Roman (German Edition)
an.
»Das kannst du dir leisten?«, fragte meine Mutter, als ich ihren Koffer in die riesige Suite schleppte, die für sie und meinenVater reserviert war. Es gab dort nicht weniger als drei Faxgeräte und einen Fernseher sogar im Bad.
»Kann ich, ja. Ist das nicht wunderbar?«
»Wer hätte das gedacht«, sagte Klaus-Peter und meinte damit nicht nur das hier, sondern alles. Die Tatsache, dass ihr Sohn genug Geld verdiente, um so etwas zu bezahlen. Die Tatsache, dass wir genau jetzt zu dritt in diesem Zimmer standen. Dass es dieses Zimmer
gab
. Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, die es nicht mehr gab.
Wir gingen zusammen in die Sauna. Wir ließen uns Cocktails mixen, saßen vor dem Kaminfeuer. György kam hinzu, den ich erstmals nackt sah. Gleich darauf trafen Tante Gisela und Onkel Gerhard ein, behielten aber ihre Bademäntel an, wenn einer von den anderen in der Nähe war. Mike meldete sich kurz. Eine Hotelangestellte kam in den Wellness-Bereich und überbrachte die Nachricht, dass Karen eingetroffen wäre. Die beiden Paare, mit denen meine Eltern inzwischen befreundet waren, kamen erst am Abend. Kein Wort jedoch von Sonja. Wir hatten nicht über die Einladung gesprochen.
Später saßen wir beim zweiten Gang eines exzellenten Dinners und redeten über alte und neue Zeiten. Zu meinem leichten Befremden flirtete Mike mit Karen, die einen allgemein erschöpften Eindruck machte. Ihr hinreißendes Kind, ein anderthalb Jahre altes Mädchen mit den Augen der Mutter, schlief in ihrem Zimmer, über das eine Hotelangestellte wachte. Ich erzählte Mamas Freunden Anekdoten aus der Musikbranche und von Minka, wurde aber immer wieder dadurch abgelenkt, dass Mike oder Karen lachte. Oder dass ich zu meinen Eltern sah und nicht fassen konnte, schon dreißig zu sein, eine fünfzig Jahre alte Mutter zu haben, die Oma war. Einen Neffen. Eine gute Freundin, die mit einem anderen verheiratet war und ein Kind von ihm hatte. Mike und György. Eine Karriere als Musiker.Irgendwann in den kommenden Jahren würde man unsereins
Promi
nennen. Ich fühlte mich nicht als einer. Ich ahnte ja noch nicht, was in den kommenden Jahren daraus werden würde.
Mein Vater wollte gerade aufstehen, um eine Rede zu halten, als sich die Tür des Restaurant-Nebenraums öffnete. Ich war bereits in der Bewegung aufzuspringen, um die Kellner davon abzuhalten, den Hauptgang aufzutragen, als der hellblonde Schopf meines Neffen Michael zum Vorschein kam. Der Junge sah sich schüchtern um und entdeckte mich. Er lächelte. Meiner Mutter entfuhr ein Schrei. Sie erkannte ihn von den Bildern, die sie von mir hatte.
Sekundenlang geschah nichts, Michael verharrte, beide Hände seit dem Schrei seiner Oma über den Ohren, und alle anderen starrten ihn an. Ich sprang jetzt doch auf, strich meinem Neffen im Vorbeigehen sanft über die Haare und spähte in den Gang, aus dem er gekommen war. Dort hockte sie, in die Knie gegangen, hielt sich mit einer Hand an der Wand fest und zitterte. Sonja war blass. Als ich mich neben meine Schwester hockte und ihr eine Hand auf die Schulter legte, schüttelte sie den Kopf.
»Ich kann das nicht. Ich habe gedacht, ich könne das, aber ich kann es nicht. Es tut mir leid.«
Ich nahm ihre freie, kalte Hand. »Ist schon okay, Schwesterchen. Niemand zwingt dich zu irgendwas. Schön, dass du hier bist.«
»Nein. Schrecklich. Ich komme um vor Angst. Und ich bin wieder wütend. So wütend.«
Ich drehte mich kurz um. Wir waren unter uns geblieben, was ich meinen Eltern hoch anrechnete. Wenn es etwas gab, das meine Mutter unbedingt wollte, mehr noch als alles, was sie sich vorzustellen in der Lage war, dann, Sonja zu sehen. Aber sie blieb im Nebenraum des Restaurants und wartete
.»Willst du auf dein Zimmer gehen? An die Bar?«
Sie schniefte. »Ich weiß nicht.«
Ich zog ein Taschentuch aus dem Jackett, ein Stofftuch. Toll, dass so etwas noch hergestellt wurde. Sonja putzte sich die Nase und steckte das Tuch ein.
»Spazieren gehen?«, schlug ich vor. »Frische Luft?«
Sie machte die Andeutung eines Lächelns. »Ich war den ganzen Tag an der frischen Luft. Ich bin seit dem Mittag hier und mit Michael durch den Ort gewandert, immer um das Hotel herum. Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, das im Scheiß-Spreewald zu machen?«
»Äh. Ich.«
»Das sieht dir ähnlich. Der große Musiker-Empath, der im Kleinen von nichts eine Ahnung hat.«
»Ich habe schon daran gedacht, aber es wäre schwer gewesen, das zu erklären. Sie wissen
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