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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Musiker.
    Eigentlich waren wir dabei, »Goldene Zeiten« zu produzieren, mein fünftes Studioalbum, das so gut wie im Kasten war. Für zwei Stücke würde ich den Gesang erneut aufnehmen müssen, einige Studiotermine für die Musiker standen noch an, ansonsten war die Platte fertig und auch schon ausgestattet, gesetzt für in drei Monaten. Umso größer war die Verwirrung, als sechs Wochen nach dem Streitgespräch mit György eine Single von mir auf den Markt kam, was aufgrund der Vollmachten, über die mein ungarischer Manager verfügte, tatsächlich möglich war, ohne dass ich noch irgendwas zu unterschreiben hatte. Ich erfuhr davon eine Woche vor dem Release und war so sauer, dass ich mit den Agenturverträgen vor mir auf dem Tisch stundenlang im Wohnzimmer saß, Rotwein pichelte und darüber nachdachte, wie ich den spitzbärtigen Ungarn in die Wüste schicken könnte.
    Schon am Tag nach der Veröffentlichung und den ersten – noch spärlichen –
Airplays
ging es damit los, dass ein Touristikveranstalter, der Clubs weltweit betrieb, anfragte, ob er das Stück in diesem Sommer für seine interne Werbung und als Opener für die Gästeshows benutzen dürfte. Es gäbe sogar Mitarbeiter, die bereits an einem Tanz zu »Cool sein« arbeiten. Bis dahin hielt ich das Ganze noch für ein Strohfeuer. Als ich Monate später Bilder davon sah, wie ganze Scharen von Cluburlaubern bei »Wenn das cool ist« die Arme vor die Brust rissen, verschränkten und die Oberkörper schüttelten, um ein überzogenes Zittern zu versinnbildlichen, war mir danach, es ihnen gleichzutun.
    Zwei Tage später wurde mir das Angebot zugetragen, dass »DJ Eastbeam«, einer der bekanntesten Techno-DJs, selbst auch Produzent und Interpret, unbedingt eine Dancefloor-Version der Nummer abmischen wollte. Das war die Fassung,die sich auch am hartnäckigsten hielt und sogar ein Jahrzehnt später noch auf Über-dreißig-Partys gespielt und wiederholt auf »Fetenhits«-Sammlungen veröffentlicht wurde. Ich verdiente alleine an diesem Mix mehr Geld als an allen Alben zuvor.
    Von einem Tag auf den anderen wurde ich mit Terminanfragen überhäuft. Aufgrund der Erhebungsverzögerung stieg das Lied erst zwei Wochen später in die Charts ein, war aber Anfang Juni schon auf Platz dreißig und zwei Wochen später in den Top Ten. In der ersten Julierhebung belegte es Platz zwei, für die Woche danach war es die Nummer eins – und dort hielt es sich bis Ende September. Die ganze Republik schien »Cool sein« zu singen, zu Hause, an den Stränden von Mallorca, Kreta, Gran Canaria und der Adria. György, der auch für mein Booking zuständig war, rief mich praktisch im Stundentakt an.
    »Warst du schon beim Österreichischen Fernsehen?«, fragte er ein bisschen scheinheilig. Es war das dritte oder vierte Gespräch seit unserem Streit, aber die Welt war inzwischen eine andere.
    »Lieber György, ich habe eigentlich große Lust, eine Pressekonferenz einzuberufen und dort zu erklären, dass das Stück nicht von mir ist.«
    »Zehntausend Mark für drei Minuten. Plus Spesen.«
    »Oh.« Ich musste husten. »Ich werde diesen Song nicht live singen. Niemals.«
    »Das musst du auch nicht. Nur reden.«
    »Nur reden?«, wiederholte ich.
    »Du musst lernen, in anderen Kategorien zu denken.«
     
    Ohne mein Dazutun wurde ein Video produziert – ein gutes, wie ich zähneknirschend zugeben musste. Im Prinzip setzten sie den Text eins zu eins um, zeigten während der ersten StropheJugendliche, die über und über mit Markenklamotten behängt waren und einen anderen herumstießen, der einfach nur irgendwelches Zeug anhatte. Die Szene wechselte und wurde nun – in der gleichen Dekoration – von mittelalten Männern gespielt, die dieselbe Kleidung trugen, die aber inzwischen völlig verschlissen war; die Markenkennungen, die Labels, hingen herunter wie abblätternde Farbe. Nun wirkte plötzlich die Gruppe lächerlich, und der Einzelne ertrug das müde und inzwischen erlahmende, wirkungslose Geschubse, unter dem die Schubsenden mehr litten als er selbst, mit einem stoischen, wissenden, mitleidsvollen, fast glücklichen Lächeln. Immer noch in No-Name-Kleidung, aber in eleganter, mit einer hübschen Frau an seiner Seite, auf dem Schoß ein süßes Baby, das ab und zu verwundert zu den alten Schubsern zu schauen schien. Und so weiter.
    Es lief auf MTV und bei Viva in der Heavy Rotation, wurde also beinahe im Zwei-Stunden-Takt gesendet. Ausgerechnet bei denen, dachte ich, als Mike anrief

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