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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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reden.
    “Da habe ich wohl ins Schwarze getroffen”, sagte er ernst. Sein intensiver grüner Blick lag auf ihrem Gesicht, und sein Mitgefühl verunsicherte sie. Der Zauber eines Beschützers.
    “Reden wir von Grace”, wechselte sie das Thema, wenn Grace auch das Letzte war, worüber sie sprechen wollte. Doch da diese Frau anscheinend Rorys neues Lieblingsthema war, unterhielten sie sich darüber, bis Daria zu ihrer Klasse aufbrechen musste. Als sie sich langsam vom Sea Shanty entfernte, wurde ihr bewusst, dass sie sich in eine Rolle manövriert hatte, die sie partout nicht wollte: Rorys Sommervertraute.

11. KAPITEL
    S helly beugte sich über die Muschelreihe im Sand und hob eine türkisfarbene Glasscherbe auf, die das Meer glatt geschliffen hatte. Sie inspizierte sie gründlich, ehe sie sie in die Stofftasche gleiten ließ, die um ihre Hüfte gebunden war. Glattes Glas war ein wahrer Schatz. Wenn sie es erst poliert hätte, würde sie daraus eine wunderschöne Kette oder einen hübschen Ring fertigen können. Sicher, es gab auch künstlich hergestellte Glasscherben, doch die sahen für sie immer unnatürlich aus. Das Meer war darin einfach besser.
    Der Morgen war noch jung. Am Horizont lugte die Sonne hinter einer purpurnen Wolke hervor, und in weiter Entfernung erkannte Shelly in nördlicher und südlicher Richtung vereinzelte Menschen und Hunde. Doch der Strandabschnitt vor der Sackgasse gehörte nur ihr.
Danke für diesen wundervollen Morgen, lieber Gott.
Es verging kein Morgen am Strand, an dem sie sich Gott nicht nahe fühlte. Wie sollte es auch anders sein? Schließlich befand sie sich im Herzen seiner Schöpfung.
    Sie beugte sich gerade wieder zu den Muscheln hinunter, als sie hinter sich eine Stimme vernahm.
    “Pass auf, Shelly!”
    Shelly drehte sich um und sah einen Golden Retriever auf sich zu rennen. Der Hund sprang sie voller Freude an und riss sie dabei fast zu Boden. Sie lachte. Kaum hatte sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden, sah sie noch zwei Hunde auf sich zu rasen, gefolgt von ihrem Frauchen Linda.
    “Tut mir leid”, rief Linda im Näherkommen. “Sie haben dich gesehen und sind losgesaust wie der Wind.”
    “Weil sie wissen, wie lieb ich sie habe.” Shelly kniete sich in den Sand, um die drei Hunde zu knuddeln.
    “Hast du schon ein paar Muscheln gefunden?”, fragte Linda und ging mit ihren nackten Füßen so nah ans Wasser, dass die Wellen sie sanft umspielten.
    “Heute ist viel buntes Glas dabei.” Shelly stand auf, um Linda die türkisfarbene Scherbe zu zeigen.
    “Hübsche Farbe”, staunte Linda. Sie schleuderte den roten Plastikstock, den sie stets dabei hatte, ins Meer, und zwei der Hunde hechteten hinterher. Der dritte – dessen Name Shelly sich nicht merken konnte – sprang an Linda hoch, legte seine Pfoten auf ihre Schultern und ließ sich von ihr über den Rücken streicheln. “Ach übrigens”, begann Linda, “Jackie hat in ein paar Wochen Geburtstag, und ich wollte dich fragen, ob du exklusiv für sie eine deiner Meerglasketten machen könntest?”
    “Was bedeutet 'exklusiv'?” Das Wort kam ihr zwar bekannt vor, doch in dem Zusammenhang, in dem Linda es verwendete, verstand sie es nicht.
    Der Hund begab sich wieder auf alle Viere und jagte ins Wasser zu den anderen, die sich um den Stock balgten. “Ich meine, ich möchte dich bitten, eine Kette zu gestalten, die ich dir dann einzig für Jackie abkaufe”, erklärte Linda.
    “Ach so, klar, das ist kein Problem”, sagte Shelly. “Am besten kommst du einfach mal vorbei und suchst dir ein Stück Glas und den Stil der Kette aus. Ich erledige dann den Rest.”
    “Prima”, freute sich Linda. Melissa ließ den Stock zu ihren Füßen fallen, und Linda hob ihn auf, um ihn aufs Neue ins Meer zu werfen. “Ist es nicht erstaunlich, dass Rory Taylor den Sommer hier verbringt?”, fragte sie dann.
    “Ja, das ist toll. Melissa ist manchmal bei ihm.”
    Linda warf einen Blick zu ihren Hunden hinüber, die auf der Jagd nach dem Stock über die sich brechenden Wellen hüpften. “Da hat sie also gesteckt.”
    “Daria und Chloe kennen ihn noch von früher”, erzählte Shelly.
    “Ja, ich auch. Aber er kann sich wahrscheinlich nicht mehr an mich erinnern. Ich war damals ziemlich schüchtern und ein wahrer Spätzünder.”
    “Doch, er weiß, wer du bist. Daria und Chloe haben ihm erzählt, wer noch alles hier lebt, und er konnte sich an dich erinnern. Aber ich glaube, ihm war neu, dass du lesbisch bist.”
    Linda lachte.

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