Sommerküsse voller Sehnsucht
viele Hochzeitskleider gesehen hatte, zuckte nur mit den Schultern.
Eine Verkäuferin kam lächelnd auf sie zu. »Wenn Sie etwas anprobieren möchten, helfe ich Ihnen gern.«
»Oh ja, bitte!«, flehte Lily. »Kann ich das mal anziehen? Ich habe Größe sechsunddreißig.«
Sarah räusperte sich. »Selbst wenn ich mich jetzt anhöre wie unsere Mutter, ich finde, du solltest dir vorher die Hände waschen.«
Lily hatte verschiedene Talente. Dazu gehörte auch, an einem unbekannten Ort eine Damentoilette zu finden, ohne jemanden nach dem Weg zu fragen. Es war fast so, als wäre sie auf den Geruch von Seifenspendern und Trockengeräten abgerichtet.
Während sie unterwegs war, setzte Sarah sich auf ein kleines Sofa und ruhte ihre Füße aus, die von Ashlyns Hochzeit immer noch ein bisschen schmerzten. Sie hatte keine Lust, sich mit der Frau am Kleiderstand zu unterhalten, weil sie genau wusste, dass Lily bei ihr kein Kleid kaufen würde.
Als Lily wenig später zurückkam, roch sie nach irgendeinem Parfüm. »Ich bin an einem Parfümstand vorbeigekommen«, erklärte sie. »Da konnte ich nicht widerstehen und habe ein paar ausprobiert. So, jetzt aber zu den Kleidern. Kann ich das hier mal anprobieren?«
»Natürlich.« Die Frau nahm es von der Stange und reichte es ihr. »Es ist perfekt für Sie, es steht nur ganz schlanken Frauen. Wenn Sie Hilfe beim Zuknöpfen brauchen, rufen Sie mich.«
Sarah blieb sitzen, während Lily sich in der Umkleide in das Kleid zwängte. Vermutlich würde es so eng sitzen, dass sich sogar eine Scheibe Knäckebrot sofort abzeichnete, wenn man sie aß – geschweige denn ein Babybauch im fünften Monat.
Sarah schüttelte den Kopf. Wie hatte eine Frau wie sie, die so zynisch war, ausgerechnet Hochzeitsplanerin werden können? Diese Frage stellte sie sich nur selten. Jetzt, da ihre Schwester mindestens zwanzig Knöpfe schloss, schien ihr eine gute Gelegenheit dafür zu sein.
Ihre Einstellung zur Ehe war von ihrer großen Enttäuschung geprägt. Wie konnte sie andere Frauen nur dabei unterstützen, wenn sie sich dauerhaft an einen Mann binden wollten? Es hatte alles mit einem Ferienjob angefangen. Sie hatte für eine Freundin ihrer Mutter als Kellnerin gejobbt. Eigentlich hatte sie nur Tabletts mit kleinen Knabbereien herumreichen sollen, aber das Chaos in der Küche hatte sie völlig wahnsinnig gemacht. Es gab eine Großküchen-Spülmaschine, doch keine der Frauen hatte sich die Mühe gemacht herauszufinden, wie sie funktionierte. Also hatte Sarah das in die Hand genommen.
Nach der Uni hatte sie einen Job bei einer Agentur für Öffentlichkeitsarbeit und Eventmanagement bekommen, und danach hatte eins zum anderen geführt. Sie hatte rasch festgestellt, dass sie ein Händchen für die Organisation von Hochzeiten hatte. Erstaunlicherweise lenkte diese Arbeit sie von ihrem eigenen Herzschmerz ab, bis er nur noch eine unangenehme Erinnerung war – auch wenn die Narben fürs Leben zurückblieben. Irgendwann kam Sarah zu dem Schluss, dass sie zwar keine Garantie für eine lebenslange Liebe geben, der Braut aber wenigstens ihren Traum erfüllen und ihr den schönsten Tag in ihrem Leben bereiten konnte. Also ließ sie die ersten Visitenkarten drucken. Erst viel später wurde ihr klar, dass das Verwirklichen der Träume viel schwerer war, als sie gedacht hatte. Dennoch blieb dies ihr Ziel, und sie war außerordentlich befriedigt, wenn alles perfekt lief.
Als Lily schließlich aus der Umkleide trat, klatschten das Personal am Stand und die umstehenden zukünftigen Bräute Beifall. Sie sah atemberaubend aus.
»Meine Güte!«, rief die Verkäuferin. »Sie schauen ganz entzückend aus!«
»Was meinst du, Sarah?« Lily sah sie gespannt an. »Ist das Kleid nicht wie für mich geschaffen?«
Sarah schluckte. Lily sah tatsächlich wunderschön aus. Aber ihr Bauch würde bis zur Hochzeit noch ein ganzes Stück wachsen. »Na ja«, antwortete sie vorsichtig, »wenn du mit der Hochzeit bis nächstes Jahr warten könntest, wäre das Kleid perfekt für dich.«
»Wieso soll ich bis nächstes Jahr warten?« Lily drehte sich vor dem Spiegel hin und her. »Die Schuhe«, rief sie plötzlich. »Ich brauche unbedingt andere Schuhe.«
»Es liegt nicht an den Schuhen«, widersprach Sarah rasch. »Alles sieht super aus, nur …« Sie zögerte. »Ich glaube einfach, dass dir das Kleid sehr schnell zu eng sein wird.«
Lily verstand. »Ah, du meinst, weil ich schwanger bin?«
Sarah nickte. »Das hätte ich jetzt nicht
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