Sommerkussverkauf
Straßenseite saß.
Ihre Reaktion fiel in etwa so aus, als habe man ihr mit einer überdimensionalen Spritze fünf Liter Adrenalin in den Hintern injiziert. Sie fuhr kerzengerade nach oben, als habe sie einen elektrischen Schlag erhalten. Maddy starrte erst Kerr an, der im Profil zu ihr saß, dann die Brünette, die ihm gegenübersaß.
O Gott, das war zu viel.
»Hier bitte«, verkündete Marcella fröhlich und winkte mit einem kleinen, gewellten Stück Papier.
Eine Sekunde lang fragte sich Maddy, ob Marcella einen Privatdetektiv angeheuert hatte und ihr nun den Beweis präsentierte, dass Kerr eine andere Frau gefunden hatte.
»Nimm es«, drängte Marcella, »es beißt nicht.«
Kerr saß weniger als sechs Meter entfernt, und Maddy musste so tun, als sei alles normal. Dabei war sie sich nicht einmal sicher, ob sie noch wusste, wie man atmete.
»Geht es dir gut?«, fragte Marcella.
»Tut mir leid.« Schuldbewusst griff Maddy nach dem Foto und starrte auf die kleine Bohne mit Beinen, die irgendwann ihre Stiefschwester oder ihr Stiefbruder werden würde.
»Das ist sein Herz!« Marcella zeigte voller Stolz darauf. »Und schau nur, das ist seine Blase!«
»Wow, seine Blase.« Maddy zwang sich dazu, sich zu konzentrieren und tat ihr Bestes, ihre Hände ruhig zu halten.
Allerdings ohne viel Erfolg.
»Du zitterst.« Marcella wirkte besorgt. »Liebes, bist du sicher, dass es dir gut geht?«
»Prima.« Maddy sah über die Straße. Kerr und die Brünette waren mit ihrem Essen fertig und bereiteten sich darauf vor, das Restaurant zu verlassen. »Äh, du sprichst von er. Ist es ein Junge?«
»Sie sprechen immer von er«, erklärte Marcella. »Ich will gar nicht wissen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Das liegt nur daran, weil du nicht ordentlich isst«, schimpfte sie, nahm Maddys Hand und drückte sie mahnend. »Darum bist du so zittrig. Wenn unser Essen kommt, dann wirst du deinen Teller leer essen.«
Die Tür des Restaurants öffnete sich, und Kerr und seine Begleiterin traten auf die Straße. Aus Angst, Marcella könnte sich umdrehen und ihn entdecken, wies Maddy hastig in die andere Richtung und rief: »O schau, da ist der Schauspieler, den du so magst. Der aus dieser Krankenhausserie!«
Marcella lugte vergebens durch die Menge an Touristen, die über die Straße schlenderten. Sie sprang auf, um besser sehen zu können. Die plötzliche Bewegung, zusammen mit der Leuchtkraft ihres knallgelben Kleides, weckte Kerrs Aufmerksamkeit. Er drehte den Kopf, sah erst Marcella an, bevor sein Blick Maddy streifte.
»Wo?«, verlangte Marcella zu wissen, die unbedingt einen Blick auf ihren Lieblingsdarsteller werfen wollte.
Maddy konnte nicht sprechen; sie konnte nicht aufhören, Kerr anzustarren.
»Was hat er an?«, rief Marcella und hüpfte auf und ab.
Was er trug? Einen dunkelblauen Anzug. Ein flaschengrünes Hemd. Auf Hochglanz polierte Schuhe. Wahrscheinlich sein übliches Aftershave, aber aus der Entfernung war das unmöglich mit Sicherheit zu sagen. Und er hatte sich immer noch nicht bewegt. Was musste die Brünette denken?
Wichtiger noch, wer war die Brünette?
»Ich geb’s auf«, verkündete Marcella und ließ sich mit einem Seufzer der Enttäuschung auf ihren Stuhl fallen. Dann strahlte sie auf. »Oh, ich weiß, was ich dir noch zeigen kann!«
In Zeitlupe wurde Maddy klar, was gleich geschehen würde. Sie konnte Kerrs Absichten in seinen dunklen Augen lesen, wusste, dass er eine Entscheidung gefällt hatte. Er würde an ihren Tisch kommen und Marcella konfrontieren, würde ihr sagen, dass es nun reichte, dass sie nicht fair war. O Gott. Maddy spürte, wie ihr heiß und kalt wurde; er wollte es wirklich durchziehen.
»Was sagst du dazu?« Marcella, die wieder in ihre Strohtasche abgetaucht war, nahm den Nimbus eines Zauberkünstlers an, der triumphierend einen Hasen aus seinem Zylinder zieht. »Tada!«, rief sie und zog einen winzigen Babystrampler hervor. »Ist das nicht entzückend? Sieh dir nur das kleine Oberteil an und die Kapuze mit den Vögeln. Das habe ich von der Geburtsstation. Sie verkaufen dort Babykleidung für einen neuen Scanner. Und was ist mit diesen winzigen Füßlingen, sind die nicht einfach anbetungswürdig?« Marcellas Augen funkelten vor Freude, und der Strampler tanzte auf dem Bügel auf und ab. »Ich weiß, ich habe gesagt, dass ich nichts kaufen werde, aber ich konnte einfach nicht widerstehen.«
Auf der anderen Straßenseite sah Kerr den Strampler ebenfalls. Der Anblick
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