Sommerkussverkauf
»So, so – eingelegte Essiggurken, ein Granatapfel, zwei Schokoladenriegel und eine Tube Tomatenketchup.«
»Schau mich nicht so verächtlich an«, protestierte Marcella. »Ich muss an meinen Blutzuckerspiegel denken. Dem hilft es nicht, wenn ich hungrig bin.«
Maddy setzte zuerst Marcella ab, dann parkte sie den Wagen und ging zur Intensivstation. Im Wartezimmer saß eine verzweifelt schluchzende Familie. Als Juliet auftauchte, umarmte Maddy sie fest, dann sagte sie: »Sollen wir nach draußen gehen?«
Sie fanden eine Bank in einem Sonnenstreifen zwischen zwei Gebäudekomplexen. Juliet schüttelte den Kopf und meinte verwundert: »Ich hatte beinahe vergessen, wie es sich anfühlt, in der Sonne zu sein.«
Sie wirkte erschöpft.
»Wie geht es Tiff?«, fragte Maddy.
»Er lebt noch. Liegt aber immer noch im Koma. Gestern haben sie sein Gehirn erneut gescannt.« Von irgendwoher brachte sie ein Lächeln zustande. »Bedanke dich bei Sophie für die Karten. Sie sind wunderbar. Wie geht es ihr?«
»Gut. Sie vermisst Tiff.« Maddy hasste es, fragen zu müssen, aber es war nur fair, wenn sie es erfuhren. »Hat Oliver heute Morgen schon die Zeitung gesehen?«
»Die
Mail
? Ja. Armer Oliver.« Juliet schüttelte den Kopf. »Und die arme Estelle. Was für ein entsetzliches Chaos.«
Maddy spielte nervös mit ihren Autoschlüsseln. »Mir tut Kate leid. Und ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde.«
»Ich habe das Gefühl, dass alles meine Schuld ist.« In Juliets Blick lag tiefe Qual. »Vielleicht ist Tiff krank geworden, weil ich mich auf Oliver eingelassen habe.«
»Das ist doch Unsinn«, widersprach Maddy. »Du weißt, dass das nicht wahr ist.«
»O Gott, ich bin so müde, ich weiß nicht mehr, was ich noch denken soll.« Juliet sah auf ihre Uhr und nahm die Tasche mit der frischen Wäsche zur Hand. »Danke dir für die Sachen.«
Sie gingen zurück auf die Intensivstation. Als sie sich dem Flur näherten, hörten sie hysterisches Weinen hinter den geschlossenen Türen des Wartezimmers.
»Was ist da drin los?« Kaum hatten die Worte Maddys Mund verlassen, bereute sie sie auch schon.
»Das ist Donnas Familie. Donna wurde gestern überfahren.« Juliet hielt ihre Stimme bedeckt. »Sie ist achtzehn. Die Ärzte haben ihrer Familie gerade erklärt, dass sie hirntot ist.«
Maddy schloss die Augen.
»Und wie geht es dir so?«, fuhr Juliet fort. »Vermisst du Kerr immer noch?«
Maddy fühlte sich sofort kleiner als je zuvor.
Ja
, sie vermisste Kerr, natürlich vermisste sie ihn, aber im Vergleich zu den Problemen der anderen war ihres lächerlich unbedeutend.
»Mach dir um mich keine Sorgen.« Sie umarmte Juliet erneut, unterdrückte die Tränen bei dem Gedanken an Tiff, der hilflos in seinem Krankenhausbett lag, und bat: »Ruf mich an, wenn du noch etwas brauchst. Und grüß Tiff von mir. Wir beten alle für ihn.«
»Danke.« Juliet wischte sich Tränen aus den Augen. »Ich auch.«
Nachdem Maddy die Kühlboxen ausgeliefert hatte, kehrte sie zum Krankenhaus zurück. Marcella wartete vor dem Haupteingang auf sie. Ihr fiel auf, wie bleich und ausgezehrt Maddy wirkte. Supermodels mochten sich nach bleistiftdünnen Gliedmaßen und eingefallenen Wangen sehnen, aber Maddy sah mit ein paar Pfund mehr einfach besser aus. Sie hatte nichts gesagt, aber Marcella wusste, woran all das lag.
»Mittagessen«, erklärte Marcella, als sie auf den Beifahrersitz des Saab kletterte. »Ich bezahle.«
»Mir geht es gut.« Maddy schüttelte den Kopf. »Du musst das nicht tun.«
»Unsinn. Schau dich nur an, dürr wie eine Bohnenstange! Du musst gemästet werden, und Nuala kommt gut noch eine Stunde ohne dich aus. Wir fahren zu Quincey«, verkündete Marcella, weil das eines der Lieblingsrestaurants von Maddy war. »Und wir sitzen draußen, wie richtig vornehme Damen es beim Lunch zu tun pflegen.«
Wenn Marcella in einer solchen Stimmung war, dann hatte es keinen Zweck, ihr zu widersprechen, das wusste Maddy. Zehn Minuten später saßen sie an einem Tisch für zwei auf dem breiten Trottoir vor Quinceys Weinbar mit zwei Glas Orangensaft, zwei gigantischen Speisekarten und – für die ständig heißhungrige Marcella – einer Schale mit Oliven. Kaum hatten sie ihre Bestellung aufgegeben, griff Marcella nach der rosa Tasche zu ihren Füßen und wühlte darin herum.
In diesem Moment entdeckte Maddy, deren Aufmerksamkeit auf Wanderschaft gegangen war, wer im Fenster des Restaurants auf der gegenüberliegenden
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