Sommerkussverkauf
schwieg kurz. »Oliver Taylor-Trent.«
»Halt mir keine Vorträge«, meinte sie müde. »Das ist jetzt kein guter Zeitpunkt.«
»Ich will dir keinen Vortrag halten.« Jake schüttelte den Kopf. »Wer weiß sonst noch davon?«
»Niemand. Keine Menschenseele.«
»Auch nicht Estelle?«
»Nein.«
»Und Tiff?«
»Natürlich weiß Tiff es nicht.« Sie bedachte ihn mit einem Wie-kannst-du-nur-fragen-Blick. »Er ist sieben Jahre alt. Glaubst du wirklich, er könnte so etwas für sich behalten?«
»Na gut, das ist schon alles.« Jake hob die Hände. »Keine weiteren Fragen.«
Jake sah aus, als wollte er noch etwas sagen. Dann schüttelte er den Kopf und lächelte Juliet zu, die unverkennbar zurück auf die Station wollte. »Geh nur.«
»Du siehst erschlagen aus«, sagte Juliet. »Solltest du nicht etwas schlafen?«
Es war früh am Morgen, und der Himmel war bedeckt. Oliver, der zerknitterter denn je aussah, rieb sich die Augen.
»Erst wenn ich den Chefarzt gesprochen habe. Er wird gleich eintreffen.« Oliver richtete sich auf seinem Stuhl auf. »Wer ist das da drüben?«
Juliet drehte sich um. Im Schwesternzimmer lehnte sich ein schlaksiger, junger Mann in Pflegeruniform an den Schreibtisch, sah zu ihnen herüber und flüsterte einer der Schwestern etwas zu.
»Er heißt Phil und wohnt in Ashcombe.« Juliet war sich bewusst, dass ihr das Herz jetzt eigentlich in die Kniekehlen rutschen sollte, aber sie hatte nicht mehr genug Energie für solche Sorgen. »Er arbeitet in der Küche des
Fallen Angels
. Sieht so aus, als habe er dich erkannt.«
»Da kommt endlich jemand«, sagte Oliver, als die Schwingtüren aufglitten und ein Mann mittleren Alters mit der unverkennbaren Aura von Autorität die Station betrat. »Ist er das?«
»Das ist er.« Juliet nickte, ihr Hals war zugeschnürt vor Sorge.
Oliver war bereits vom Stuhl aufgesprungen. »Das wird aber auch Zeit. Also gut, finden wir heraus, was los ist. Guten Tag, ich bin Oliver Taylor-Trent.« Oliver streckte die Hand aus, als der Chefarzt mit seinem Gefolge auf sie zutrat. »Ich bin der Vater des Jungen. Ich will genau wissen, wo wir stehen«, verkündete er brüsk. »Sagen Sie mir alles.«
Juliet, die Tiffs reglose Hand hilflos mit ihren Fingern umschlossen hatte, betete, dass Oliver nicht schon wieder von Geld anfangen würde. Juliet betete auch, dass der Chefarzt nicht so schroff wie Oliver sein würde. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Kraft hatte, sich anzuhören, was er gleich sagen würde.
»Eingelegte Walnüsse, ist das zu glauben?« Marcella schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich dachte immer, die Heißhungerattacken seien frei erfunden, damit schwangere Frauen etwas Aufmerksamkeit bekommen, aber ich schwöre zu Gott, ich träume sogar von eingelegten Walnüssen. Sobald ich aufwache, muss ich sie haben.«
»Ist ja gut«, rief Estelle, wedelte mit den Händen und versuchte verzweifelt, ihren Bissen Marmite auf Toast herunterzuschlucken.
»Oh, tut mir leid.« Marcella polierte das Silber, das über das hintere Ende des Küchentisches ausgebreitet lag wie auf einem hochpreisigen Grabbeltisch. Marcella sah zu Norris, der schmatzend den Inhalt seiner Schüssel leerte, und sagte: »Ihn stört es nicht.«
»Nichts kann Norris beim Fressen stören«, erklärte Kate, trank ihren Kaffee aus und stand auf. »Ich muss jetzt zur Arbeit.« Sie legte den Kopf schräg und meinte: »Klingt, als ob ein Wagen die Auffahrt hochfährt.«
»Das wird der Lieferant sein«, scherzte Marcella, »der mir meine nächste Palette eingelegter Walnüsse vorbeibringt.«
Estelle fühlte, wie ihr Herz in Galopp verfiel. Das konnte doch nicht Will sein, oder? Hatte ihn der plötzliche Drang überkommen, sie zu sehen? O Gott, wenn er es wirklich war, würde sie sich dann vor Marcella normal verhalten können?
Als die Haustür geöffnet wurde, hielt Marcella mitten im Polieren inne. Alle Augen richteten sich jetzt auf die Küchentür. Estelle versuchte, ebenso verblüfft wie Kate und Marcella auszuschauen. Nur Norris, der den Eindringling unbekümmert ignorierte, kaute weiter.
Es war nicht Will, sondern Oliver.
Oliver, der seltsamerweise ebenso zerknittert und ungepflegt aussah, wie Will es sonst immer tat.
»Oliver? Was ist passiert?« Schuldbewusst hoffte Estelle, dass er es nicht irgendwie herausgefunden hatte. »Ich verstehe nicht, du solltest doch in Zürich sein.«
Oliver schien die Frauen kaum zu bemerken. Er schüttelte den Kopf. »Ich war in Zürich. Bin
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