Sommerkussverkauf
bin, und ich will nicht selbstsüchtig sein, aber ich rege mich auf. Und wie ich mich aufrege!«
»Ist das vernünftig?«, sagte Marcella geduldig. Sie saß am Fußende des Bettes und sah zu, wie Estelle Nachthemden, Röcke, Schuhe und diverse andere Dinge in zwei Koffer warf.
»Ich bezweifle es, aber ich gehe nichtsdestotrotz. Wie könnte ich noch länger hier bleiben?« Heftig warf Estelle ihren Fön und eine Flasche Chanel Nr. 19 hinterher, und es war ihr egal, ob der Flakon zerbrach. »Ganz Ashcombe wird sich über mich lustig machen. Warum sollte ich mich demütigen lassen?«
»Sie würden nicht gedemütigt werden.«
»Ich gehe trotzdem.«
»Wohin?«
»Gott weiß. Geben Sie mir bitte das rosa Top. Ist es zu fassen, dass er nicht einmal gesagt hat, es tue ihm leid?«
»Es war ein Schock«, erklärte Marcella. »Für Sie beide.«
»Verdammt richtig, es war ein Schock. O Liebes …« Estelles Kopf fuhr hoch, als die Schlafzimmertür aufging und Kate hereinkam.
»Mum, ich will nicht, dass du gehst.« Kate umarmte sie fest.
Estelle war sich bewusst, dass die Nachricht von Tiffs Existenz auch für Kate ein Schock gewesen sein musste, dennoch war sie überwältigt von der Emotion in der Stimme ihrer Tochter. Kate war auf ihrer Seite, und das bedeutete ihr sehr viel.
»Ich habe keine andere Wahl. Ich kann nicht hierbleiben, Liebes. Ich liebe dich.« Estelles Stimme schwankte. Sie streichelte Kates Gesicht.
»Wo willst du hingehen?«
»Ich weiß es noch nicht. Vermutlich in ein Hotel. Ich rufe an und lasse es dich wissen«, sagte Estelle.
»Du solltest nicht gehen müssen. Er sollte gehen.« Kate klang leidenschaftlich. »Du hast nichts Falsches getan.«
Noch nicht, dachte Estelle.
»O Gott, was für ein Durcheinander«, seufzte Kate. Binnen einer Stunde war ihr ganzes Leben wie eine Schneekugel durcheinandergewirbelt worden. Von nun an würde nichts mehr so sein wie früher.
Marcella tauchte aus dem Badezimmer auf. »Hier, vergessen Sie Ihren Rasierer nicht.«
»Um mir die Pulsadern aufzuschneiden?«
»Um sich die Beine zu rasieren. He, nicht weinen«, meinte Marcella ermutigend. »Sie werden das durchstehen.«
»Gott weiß, wie.« Estelle wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, fest entschlossen, nicht wieder anzufangen. »Warum schauen Sie ständig auf die Uhr?«
»Tue ich das? Tut mir leid. Jake nimmt Sophie heute mit ins Krankenhaus; der Arzt dort hat ihm gesagt, dass sie zur Sicherheit Antibiotika einnehmen solle. Jake meinte, er rufe mich an, sobald er Näheres wisse.«
Eine weitere Welle der Scham schwappte über Estelle hinweg. Sie wollte wirklich keine selbstsüchtige, schreckliche Person sein, aber es war so schwer, nicht daran zu denken, was
ihr
gerade zugestoßen war. Im Moment waren ihre eigenen Probleme für sie das Wichtigste.
Gut, dass sie Ashcombe verließ. Wie könnte sie unter diesen Umständen noch bleiben?
Der arme Tiff, dachte Estelle, und sah den kleinen Jungen vor sich. Ihre Unterlippe begann wieder zu zittern. Arme Sophie. Arme
Estelle
.
»Wir laufen wohl nicht Gefahr, ein Lächeln von dir zu bekommen, oder?«
»Was?«, fauchte Kate.
»Du weißt doch … was die Leute mit ihrem Mund machen, um die Gäste aufzuheitern und um ihnen das Gefühl zu geben, willkommen zu sein.«
»Seit wann interessierst du dich dafür, ob sich die Gäste willkommen fühlen?«, fuhr Kate Dexter an. »Außerdem sind alle draußen im Garten. Hier drin ist keiner, den ich anlächeln könnte.«
Trocken erwiderte Dexter: »Danke.«
»Gern geschehen.« Kate wünschte sich wirklich, er würde sich verziehen – obwohl das unwahrscheinlich war, weil der Pub ja ihm gehörte –, also tat sie das Zweitbeste und öffnete die Geschirrspülmaschine. Sofort wurde sie von einer undurchdringlichen Dampfwolke eingehüllt.
Kate zuckte zusammen, als Dexter durch den Dampf lugte wie das Monster aus dem Sumpf und ihr die heißen Gläser aus der Hand nahm.
»Du könntest mir ruhig sagen, was los ist.«
»Nichts ist los, es geht mir gut.« Lass mich in Ruhe!
»Und ich bin Pierce Brosnan.« Durch den Kondensschleier sah sie, wie sich Dexters Augenbrauen wütend zusammenzogen. »Es geht um diesen verdammten Jake, stimmt’s?«
Kate war verblüfft. »Wie bitte?«
»Er hat dir wieder Kummer bereitet. Ich habe es dir schon einmal gesagt, der Kerl macht nur Schwierigkeiten. Du brauchst keinen, der dich nur herumstößt …«
»Also schön, ich erzähle es dir«, platzte es aus Kate
Weitere Kostenlose Bücher