Sommerliches Schloßgewitter
Augen eine beliebte Melodie mit viel Swing, während Sue über die Tanzfläche glitt. Zum erstenmal, seit sie Hugos Einladung zum Tanz angenommen hatte, war sie gelöst und ruhig. Ihr von den schluchzenden Saxophonen beschwichtigtes Gewissen schien außer Dienst zu sein. Es hatte zweifellos eingesehen, wie müßig es war, einem Mädchen einreden zu wollen, an diesem wundervollen Zeitvertreib sei etwas Schlechtes.
Wie absurd doch Ronnies Einwände dagegen waren, dachte sie. Das war ja, ging es Sue kritisch durch den Kopf, als wenn sie jedesmal ein großes Tamtam machen wollte, wenn er mal mit einem Mädchen Tennis oder Golf spielte. Tanzen war genau so ein Spiel wie diese beiden andern, und man brauchte eben einen Mann dazu, sonst konnte man es nicht spielen. Wenn einer gleich grün wurde vor Eifersucht, nur weil man mal tanzen ging, dann war das lächerlich.
Aber so ruhig ihr Gewissen jetzt auch war, sie empfand es andererseits doch als Erleichterung, daß Ronnie nie etwas von diesem kleinen Vergnügen erfahren würde.
Verliebte Männer waren ja wie Kinder. Sue seufzte unwillkürlich bei dem Gedanken an die Wunderlichkeiten des anderen Geschlechts. Wie leicht könnte das Leben doch sein, wenn sie vernünftiger wären. Es wollte ihr nicht in den Kopf, wie Ronnie nur im geringsten daran zweifeln konnte, daß ihr Herz ganz allein ihm gehörte – gleichgültig, womit sie ihre freien Stunden verbrachte. Selbst wenn sie ganze Nächte lang tanzte und jede Nacht mit einem andern – wie konnte er glauben, daß das an ihren Gefühlen für ihn irgendetwas ändern würde!
Nun, sie mußte sich wohl oder übel mit seinen verschrobenen Ansichten abfinden.
»Daß du Ronnie ja nichts davon erzählst, Hugo«, sagte sie und wiederholte damit eine Ermahnung, mit der sie bei ihrem Eintreffen im Restaurant die Konversation eröffnet hatte.
»Kein Sterbenswörtchen.«
»Kann ich mich darauf verlassen?«
»Absolut. Mein Kennwort: Diskretion, Market Blandings.«
»Ronnie ist nämlich sehr komisch.«
»Zum Totlachen.«
»Ich meine, er hätte dafür kein Verständnis.«
»Nein. Es hat mich auch sehr überrascht«, sagte Hugo und machte ein paar raffinierte Schritte, »als ich hörte, daß du dich mit diesem Windhund liiert hast. Ich war ganz platt. Er hätte doch seinen Freund aus Kindertagen ins Vertrauen ziehen können.«
»Es ist besser, wenn die Sache nicht publik wird.«
»Willst du damit sagen, daß Hugo Carmody eine Klatschtante ist?«
»Du weißt genau, daß du gerne plauderst.«
»Davon weiß ich gar nichts«, sagte Hugo würdevoll. »Wenn ich mich selbst zu beschreiben hätte, dann würde ich sagen, daß ich im Grunde ein starker, schweigsamer Mann bin.«
Und um das zu bekräftigen, machte er eine vollendete Drehung auf dem Parkett. Seine Schweigsamkeit überraschte Sue.
»Was ist denn los?« fragte sie.
»Groll«, sagte Hugo.
»Wie bitte?«
»Ich schmolle. Deine Bemerkung von eben nagt an mir. Diese völlig unbegründete Beschuldigung, ich könnte nichts für mich behalten. Vielleicht interessiert es dich, daß auch ich heimlich verlobt bin und keine Menschenseele davon weiß.«
»Hugo!«
»Jawohl, ich bin versprochen. So liegt nun auch zu guter Letzt Hugo Carmody in den süßen Banden der Liebe.«
»Wer ist die Unglückliche?«
»Was heißt da ›Unglückliche‹? Das glückliche Mädchen … War das dein Fuß?«
»Ja.«
»Entschuldigung. Ich hab diese neuen Schritte noch nicht ganz heraus. Das glückliche Mädchen, wollte ich sagen, heißt Millicent Threepwood.«
Wie betäubt von der Bedeutsamkeit dieser Mitteilung hörte die Combo auf zu spielen, und da sie zufällig dicht bei ihrem Tisch standen, führte der Mann, der nie ein Geheimnis preisgab, seine Partnerin zu ihrem Platz. Sie starrte ihn aufgeregt an.
»Das ist doch nicht dein Ernst?«
»Natürlich. Warum sollte das nicht mein Ernst sein?«
»Das ist die schönste Neuigkeit meines Lebens!«
»Wirklich?«
»Ich bin ganz aus dem Häuschen.«
»Ich freue mich auch«, sagte Hugo.
»Ich hab’s mir nie eingestehen wollen, aber vor Millicent hatte ich immer Angst. Ronnie hat mir erzählt, daß er sie auf Wunsch der Familie heiraten sollte, und man weiß ja nie, was passiert, wenn eine ganze Familie ihre Finger im Spiel hat. Jetzt ist alles in Ordnung!«
»Völlig in Ordnung!«
Die Musik spielte wieder, aber Sue blieb sitzen.
»Nicht?« fragte Hugo erstaunt.
»Noch nicht. Ich möchte mit dir reden. Du weißt gar nicht, was das für mich
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