Sommerliches Schloßgewitter
bedeutet. Außerdem hat dein Tanzen nachgelassen, Hugo. Du bist nicht mehr, was du mal warst.«
»Mir fehlt die Übung.« Er steckte sich eine Zigarette an, und während er nachdenklich den sich drehenden Paaren zusah, geriet er ins Philosophieren. »Dauernd werden neue Tänze erfunden. Da kommt halt einer, der drauß’ im Walde gelebt hat, nicht mehr mit. Aus mir ist ein tumber Taps geworden.«
»Du bist ja nicht schlecht, aber früher warst du halt ein wahres Wunder. Mit dir tanzte es sich wie auf rosa Wolken über einer See von Seligkeit.«
»Sicherlich sehr treffend gesagt«, meinte Hugo zustimmend. »Aber gib nicht mir die Schuld. Gib sie diesem Dachverband der Tanzakademien oder wie sich das nennt – wo sie sich alle paar Wochen treffen, um etwas noch Schwierigeres auszuknobeln. Warum kann man die Dinge nicht lassen, wie sie sind?«
»Der Mensch braucht Abwechslung.«
»Da bin ich anderer Ansicht«, meinte Hugo. »Nirgendwo sonst werden die Spielregeln andauernd von einer Bande von Dunkelmännern manipuliert. Wenn du Golf spielen lernst, dann sagt dir der Profi auch nicht zuerst, du sollst den Schläger langsam anheben und den Kopf gerade halten und das linke Knie beugen und die linke Ferse anheben und den Ball im Auge behalten und dich nicht nach hinten lehnen und noch ein paar Dinge – und kaum hast du das nach vielen Mühen kapiert, kommt er und sagt: ›Das gilt natürlich nur bis Donnerstag in drei Wochen. Danach wird der Oberste Hauptvorstand der Vereinigten Golfverbände diese Methode abschaffen und etwas völlig Neues einführen!‹«
»Ist das auch Groll?«
»Nein, kein Groll.«
»Klingt aber wie Groll. Ich glaube, du bist eingeschnappt, weil ich gesagt habe, du wärst nicht mehr der Tänzer, der du mal warst.«
»Überhaupt nicht. Kritik ist jederzeit willkommen.«
»Denk nicht mehr dran. Erzähle mir lieber von dir und Millicent und …«
»Als ich ungefähr fünf war«, fuhr Hugo fort, während er sich eine neue Zigarette ansteckte, »besuchte ich zum erstenmal eine Tanzschule. An vieles aus meiner Jugend Maienblüte erinnere ich mich nur noch vage, aber diese Tanzschule sehe ich noch genau vor mir. Mit vielen Mühen und Kosten brachte man mir bei, einen Ball mit der linken Hand hochzuwerfen und mit der rechten aufzufangen, wobei ich mich gerade halten und graziös bewegen sollte. Das klingt zwar überraschend für eine Tanzschule, aber genau so sah der Stundenplan aus. Was ich damit sagen will …«
»War es Liebe auf den ersten Blick, oder hast du dich erst nach und nach in Millicent verliebt?«
»Was ich damit sagen will, ist folgendes. Ich war nach einiger Zeit sehr gut im Ballwerfen und Fangen. Ich will mich nicht loben, aber ich war auch der schärfsten Konkurrenz darin noch hoch überlegen. Die Zuschauer stießen sich heimlich an und fragten hinter der vorgehaltenen Hand: ›Wer ist denn der Kleine?‹ An guten Tagen habe ich bei zwanzig Versuchen höchstens einmal den Ball fallenlassen. Aber was habe ich jetzt davon? Gar nichts. Bevor ich noch dazu kam, mit meinen Talenten an die Öffentlichkeit zu gehen und die Gunst schöner Frauen zu erringen, hatte der Dachverband der Tanzakademien schon längst entschieden, daß der Ballwurfschritt, oder wie das Ding hieß, aus der Mode sei.«
»Ist sie hübsch?«
»Mit anderen Worten, dieses ewige Herumlaborieren an den Regeln wirft einen immer wieder zurück. Ich könnte jetzt mühelos auf’s Parkett treten und mit einem Ball jonglieren, aber das ist ja heutzutage nicht mehr gefragt. Keiner hätte Verständnis. Das heißt, das viele Geld und die Mühe, die ich in den Gummiball-Shimmy investiert habe, war für die Katz. Ich kann dazu nur sagen: Wenn diese Tanzakademiker die Menschen zu Zynikern machen wollen, dann sollen sie nur so weitermachen.«
»Ich wünschte, du würdest mir etwas über Millicent erzählen.«
»Gleich. Ich habe gelernt, daß schon die alten Ägypter getanzt haben. Sie glaubten, daß der Gott Thoth das Tanzen erfunden hätte. Die phrygischen Korybanten tanzten zu Ehren von jemandem, dessen Namen ich vergessen habe, und immer, wenn man Rhea Silvia feierte, standen die alten Römer auf dem Tanzboden mit ihrer besten Sonntagstoga. Für den Gott Thoth war das gut genug, aber nicht für diese Tanzheinis! Oh nein! Und so war das schon immer. Zu allen Zeiten haben arme Teufel, die nichts als ein bißchen guten Willen und zwei linke Füße besaßen, einen Nackenschlag nach dem andern bekommen.«
»Und das alles«,
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