Sommerliches Schloßgewitter
Kinn. Er versuchte zwar stets, den Problemen seiner Klienten etwas Positives abzugewinnen, aber es war nicht zu leugnen, daß Sir Gregory offenbar vom Pech verfolgt war.
»Er ist also entschlossen, das Buch zu veröffentlichen?«
»Er denkt an gar nichts anderes mehr, dieser vertrottelte alte Zausel.«
»Und er will diese Geschichten unbedingt hineinbringen?«
»Er war heute früh extra bei mir, um mir das zu sagen. Ich habe dann gleich den nächsten Zug genommen, um Ihnen den Fall zu übergeben.«
Pilbeam kratzte sich an der linken Backe.
»Tja«, sagte er, »unter diesen Umständen weiß ich leider nicht, was man da tun soll, außer …«
»… sich das Manuskript zu verschaffen und es zu beseitigen. Das wollten Sie doch sagen? Und genau das sollen Sie für mich erledigen.«
Pilbeam sperrte entsetzt den Mund auf. Er hatte nichts dergleichen sagen wollen. Vielmehr hatte er beabsichtigt zu erklären, so wie die Sache sich darstellte, könne man lediglich die Hände im Schoß falten, die Zähne fest zusammenbeißen und das unvermeidliche Desaster abwarten wie ein Mann und ein Engländer.
Sprachlos sah er den skrupellosen Baronet an. Die Ungesetzlichkeiten des Landadels sind zwar sprichwörtlich, aber soviel Ungesetzlichkeit, fand Percy Pilbeam, war denn doch durch nichts mehr zu entschuldigen.
»Das Manuskript stehlen?«
»Anders geht’s nicht.«
»Aber das ist reichlich viel verlangt, Sir Gregory, finden sie nicht?«
»Nicht«, erwiderte der Baronet charmant, »für einen cleveren jungen Mann wie Sie.«
Das Kompliment ließ Pilbeam kalt. Er blieb reserviert und unkooperativ. Auch der cleverste Mann, dachte er, konnte kein Memoiren-Manuskript aus einem Haus herausschaffen, in das er nicht vorher hineingelangt war.
»Wie soll ich denn an das Ding herankommen?«
»Ihnen müßten doch gleich Dutzende von Möglichkeiten einfallen.«
»Keine einzige«, versicherte Pilbeam.
»Sie haben mir doch auch meine Briefe wiederbeschafft.«
»Das war ganz etwas anderes.«
»Sie sagten damals, Sie wollten den Gaszähler ablesen.«
»Ich kann doch wohl nicht gut in Blandings Castle aufkreuzen und sagen, ich wollte den Gaszähler ablesen, und dann hoffen, daß man mich einlädt, übers Wochenende zu bleiben. Sie verkennen anscheinend, Sir Gregory, daß ein solches Unternehmen mehr als ein paar Minuten in Anspruch nimmt. Möglicherweise müßte ich längere Zeit im Hause bleiben.«
Sir Gregory fand diese Einstellung seines Gesprächspartners unbefriedigend. Seit er ein Baronet war mit allem, was dazugehörte, hatte er sich daran gewöhnt, die Leute flitzen zu sehen, wenn er Anweisungen erteilte. Er wurde jetzt unwirsch.
»Dann gehen Sie eben als Butler oder sowas.«
Percy Pilbeams Antwort war ein nachsichtiges Lächeln. Er hob den Bleistift und kratzte sich damit am Kopf.
»Nicht gut möglich«, sagte er, und wieder huschte dieses mitleidige Lächeln über sein Gesicht.
Jetzt reichte es Sir Gregory endgültig. Er verspürte den unbändigen Wunsch, etwas zu sagen, das dieses Lächeln zum Verschwinden brächte. Es erinnerte ihn zu sehr an das Grinsen von Buchmachern in seinen jüngeren Jahren, wenn er ihnen eine Pferdewette auf Kredit und Treu und Glauben vorschlug.
»Bitte, wie Sie wollen!« bellte er. »Aber vielleicht interessiert es Sie, daß ich für die Beschaffung des Manuskripts gewillt bin, tausend Pfund zu zahlen.«
Das interessierte Pilbeam, wie zu erwarten war, ganz ungemein. Vor Schrecken fuchtelte er so wild mit dem Bleistift, daß er sich eine schmerzhafte Kopfwunde zufügte.
»Ta-tau …?« stammelte er.
Sir Gregory, in Geldangelegenheiten ein vorsichtiger Mann, erkannte, daß er mit seiner dramatischen Geste etwas zu weit gegangen war.
»Sagen wir fünfhundert«, verbesserte er hastig. »Und fünfhundert Pfund sind eine Menge Geld, Mr. Pilbeam.«
Das hätte er kaum zu betonen brauchen. Percy Pilbeam hatte es auch ohne Nachhilfe begriffen, und er wurde beim bloßen Gedanken daran ganz blaß. Vielleicht kam einmal der Tag, an dem fünfhundert Pfund mehr oder weniger auf seinem Konto dem Chef der Detektei Argus gleichgültig sein würden, aber dieser Tag war vorläufig noch nicht gekommen.
»Ein Scheck über fünfhundert Pfund, sobald das Manuskript dieses Hallodri in meinen Händen ist«, sagte Sir Gregory verheißungsvoll.
Die Natur hatte es so eingerichtet, daß Percy Pilbeams Gesicht niemals wirklich schön aussehen konnte, aber in diesem Augenblick nahm es einen Ausdruck an, der bis zu
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