Sommerliches Schloßgewitter
Büroklammer zu dem übrigen Teil seines Opus und verstaute dann das Manuskript so liebevoll in seiner Schublade wie eine junge Mutter, die ihr Erstgeborenes ins Bettchen legt. Das Tagewerk war vollbracht. Er stand auf und reckte sich gähnend.
Er war tintenverschmiert, aber zufrieden. Glück, sagen die großen Denker übereinstimmend, empfindet, wer andern Freude macht; und die kleine Anekdote, die er soeben zu Papier gebracht hatte, würde sehr vielen Mitmenschen – dessen war er sicher – größte Freude machen. In ganz England würden sie sich beim Lesen schütteln und auf die Schenkel klatschen. Nun ja, möglicherweise würde ihre Begeisterung von Sir Gregory Parsloe-Parsloe nicht in vollem Umfang geteilt werden, denn was der Ehrenwerte Galahad da gerade aufgeschrieben hatte, war die Geschichte mit den Krabben, aber ein Schriftsteller muß sich damit abfinden, daß er es nicht jedem recht machen kann.
Er verließ die Kleine Bibliothek, die er für sich als Arbeitszimmer in Beschlag genommen hatte, und als er die breite Treppe hinunterging, entdeckte er Beach unten in der Halle. Der Butler stand groß und massig am Teetisch und starrte wie in Trance auf eine Platte mit Lachsbrötchen. Schon mehrfach war es dem Ehrenwerten Galahad in den letzten Tagen so vorgekommen, als bedrücke den Mann etwas. Er hatte so etwas Angstvoll-Gehetztes im Blick, als hätte er einem die Gurgel durchgeschnitten und fürchte jetzt, man könne jeden Augenblick die Leiche finden. Ein erfahrener Physiognomiker hätte diesen Blick unschwer deuten können. Es war der eines Butlers, der wider besseres Wissen zum Komplizen bei der Entführung eines Schweins aus herrschaftlichem Besitz geworden ist.
»Beach!« rief der Ehrenwerte Galahad über das Treppengeländer hinunter, denn ihm war eingefallen, daß er den Mann etwas fragen wollte wegen des exzentrischen Generalmajors Magnus, in dessen Diensten er früher gestanden hatte.
»Was ist denn los mit Ihnen?« sagte er dann leicht gereizt, denn der aus seinen Gedanken aufgeschreckte Butler hatte plötzlich einen Satz gemacht und am ganzen Leib so sehr zu schlottern angefangen, daß man gar nicht hinsehen mochte. Ein Butler, fand der Ehrenwerte Galahad, ist nun mal ein Butler und kein schreckhaftes Reh. Ihm mißfiel die Verquickung von beidem in ein und derselben Person.
»Wie meinen, Sir?«
»Warum, zum Donnerwetter, vollführen Sie solche Sprünge, wenn man mit Ihnen redet? Er hopst«, sagte er dann vorwurfsvoll zu seiner Nichte Millicent, die gerade lustlos die Treppe heruntergeschlichen kam. »Wenn man ihn anspricht, bebt er wie ein harpunierter Walfisch.«
»So?« sagte Millicent tonlos. Sie hatte sich in einen Sessel fallen lassen und ein Buch aufgeschlagen. Sie sah aus wie etwas, das Ibsen sich in einem seiner weniger heiteren Momente ausgedacht hatte.
»Ich bitte um Verzeihung, Mr. Galahad.«
»Sie sollen nicht um Verzeihung bitten, Sie sollen das bleiben lassen. Falls Sie sich mit diesen Zuckungen für irgendwelche neumodischen Tänze beim Ball des Hauspersonals fit machen wollen, dann hören Sie auf einen alten Freund und schlagen Sie sich’s aus dem Kopf. Sie haben nicht die Figur dafür.«
»Möglicherweise habe ich eine leichte Erkältung in mir, Sir.«
»Trinken Sie einen steifen Grog. Sowas hilft sofort. Was macht denn das Auto hier draußen?«
»Ihre Ladyschaft hat es bestellt. Sie will mit Mr. Baxter nach Market Blandings zum Bahnhof fahren, wenn der Zug um vier Uhr vierzig eintrifft.«
»Wird Besuch erwartet?«
»Die junge Dame aus Amerika, Sir. Miss Schoonmaker.«
»Ach ja, ich erinnere mich. Sie kommt also heute?«
»Ja, Sir.«
Der Ehrenwerte Galahad sah nachdenklich vor sich hin.
»Schoonmaker. Den alten Johnny Schoonmaker habe ich gut gekannt. Prima Kerl. Mixte die besten White Ladies in ganz Amerika. Haben Sie schon mal eine White Lady probiert, Beach?«
»Soviel ich weiß, nein, Sir.«
»Sie wüßten’s, wenn Sie’s hätten. Tückisches Gesöff. Erst ist es, als ob einem eine zarte Hand liebevoll übers Haar streicht, und im nächsten Augenblick steht man schon vorm Kadi und soll fünfzig Dollar an die Staatskasse zahlen. Haben Sie Lord Emsworth irgendwo gesehen?«
»Seine Lordschaft telefoniert gerade.«
»Sie sollen das doch lassen!« rief der Ehrenwerte Galahad ungehalten, denn schon wieder hatte den Butler eine Art Schüttelfrost gepackt.
»Bitte entschuldigen Sie, Mr. Galahad. Mir ist nur gerade etwas eingefallen. Kurz nach dem
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