Sommerliches Schloßgewitter
anders und verlagerte sein Gewicht auf das rechte.
»Spannend?«
Millicent sah auf.
»Wie bitte?«
»Ich fragte nur – ist das Buch spannend?«
»Sehr«, sagte Millicent.
Hugo entschied sich doch gegen das rechte Bein und stellte sich wieder aufs linke.
»Wovon handelt es denn?«
»Seelenwanderung.«
»Davon verstehe ich leider nicht besonders viel.«
»Nicht nur davon«, sagte das unnahbare Mädchen schnippisch. »Du scheinst immer häufiger von immer mehr immer weniger zu verstehen.« Sie stand auf und ging zur Treppe, und die Art, wie sie das tat, schien zu besagen, daß sie von der Halle in Blandings Castle enttäuscht war. Sie hatte angenommen, dort könne ein Mädchen ungestört ein gutes Buch lesen, und statt dessen krochen jetzt aus allen Winkeln irgendwelche zweifelhaften Gestalten hervor. »Wenn du’s unbedingt wissen willst, Seelenwanderung bedeutet, daß manche Leute glauben, die Seele eines Menschen gehe nach seinem Tod in ein anderes Wesen über.«
»Ist ja toll!« sagte Hugo lebhaft, denn ihre Gesprächigkeit ließ ihn wieder hoffen. So viele zusammenhängende Worte hatte sie schon lange nicht mehr an ihn gerichtet. »In ein anderes Wesen, hm? Komischer Gedanke. Wer sich bloß sowas ausdenkt?«
»Deine zum Beispiel würde vermutlich in ein Schwein übergehen. Und dann würde ich kommen und in deinen Stall sehen und sagen: ›Schau an, da ist ja Hugo Carmody. Hat sich gar nicht verändert!‹«
Die Ereignisse der letzten Zeit hatten den Stolz der Carmodys geknickt, doch bei diesen Worten richtete er sich wieder schwach auf.
»Das ist aber sehr gemein von dir.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich.«
»Hätte ich das nicht sagen sollen?«
»Nein.«
»Ich hätte es auch nicht gesagt, wenn mir etwas Gemeineres eingefallen wäre.«
»Und wenn du wegen so einer Lappalie wie der von neulich unsere große Liebe zerstörst, dann … also, dann finde ich das schofel von dir. Du weißt genau, daß du für mich das einzige Mädchen auf der Welt bist …«
»Soll ich dir mal was sagen?«
»Ja?«
»Du ödest mich an.«
Hugo blähte tief bewegt die Nüstern.
»Es ist also alles aus zwischen uns?«
»Darauf kannst du Gift nehmen. Und falls dich meine weiteren Pläne interessieren: Ich werde den erstbesten Kerl heiraten, der daherkommt und mich fragt. Du kannst ja bei der Hochzeit die Schleppe tragen, wenn du willst. Dämlicher als jetzt würdest du dann auch nicht aussehen, sogar mit Rüschenhemd und Samthosen.«
Hugo lachte heiser.
»Tatsächlich?«
»Jawohl.«
»Und früher hast du mal gesagt, einen Mann wie mich gäbe es auf der ganzen Welt nicht mehr.«
»Das wäre auch schrecklich«, sagte Millicent. Und da inzwischen die bekannte James-Thomas-Beach-Prozession mit Kuchen und Klapptisch ihren Einzug gehalten hatte und sie als kluges Mädchen wußte, daß ihr ein besseres Schlußwort so schnell nicht einfallen würde, stieg sie stolz erhobenen Hauptes die Treppe hinan.
James zog sich zurück. Thomas zog sich zurück. Nur Beach blieb und starrte wie hypnotisiert auf den Kuchen.
»Beach!« sagte Hugo.
»Sir?«
»Zum Teufel mit den Frauen!«
»Sehr wohl, Sir.«
Er sah dem jungen Mann nach, der durch das vordere Portal ins Freie trottete, hörte seine Schritte auf dem knirschenden Kies und versank dann wieder in Gedanken. Wie gerne hätte er, wenn dadurch nicht Mr. Ronalds Pläne durchkreuzt würden, seinem Dienstherrn beim Kredenzen des Tischweins ins Ohr geflüstert: »Das Schwein ist in der Jagdhütte im Wäldchen, Mylord. Sehr zum Wohl, Mylord.« Aber das war nun mal nicht möglich. Er legte sein Gesicht in kummervolle Falten, aber dann bemerkte er den Ehrenwerten Galahad, der aus dem Rauchsalon kam.
»Ich wollte Sie noch etwas fragen, Beach. Sie waren doch mal beim alten General Magnus in Dienst, vor Jahren, ehe Sie hierher kamen?«
»Jawohl, Mr. Galahad.«
»Dann können Sie mir vielleicht Genaueres über diesen Vorfall aus dem Jahre ’12 sagen. Ich weiß nur soviel, daß der alte Haudegen den jungen Mandeville im Schlafanzug dreimal rund um den Garten gejagt hat. Aber hat er dabei nur mit dem Brotmesser gedroht, oder hat er ihn tatsächlich damit gekitzelt?«
»Ich weiß es nicht, Sir. Man hat mich diesbezüglich nicht ins Vertrauen gezogen.«
»Zu dumm«, sagte der Ehrenwerte Galahad. »Ich möchte nämlich, daß alle Details genau stimmen.«
Er sah dem davonschreitenden Butler unzufrieden nach. Mehr denn je war er davon überzeugt, daß der Mann etwas auf dem Herzen
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