Sommerliches Schloßgewitter
Minuten später auf dem Kiesweg vor dem Hauptportal von Blandings Castle beobachtet hätte, würde eine gewisse Kühle und Distanziertheit bemerkt haben. Keines der Gruppenmitglieder schien in der Stimmung für einen Waldspaziergang zu sein. Beach war zwar korrekt, aber nicht herzlich. Das Gesicht unter seiner Melone war das Gesicht eines zu unrecht Verdächtigten. Baxter betrachtete den trüben Himmel, als hege er einen Verdacht gegen ihn. Und was Lord Emsworth betrifft, so war ihm gerade eingefallen, daß er im Begriff stand, einen Mann auf dunklen und verlassenen Pfaden zu begleiten, dessen Selbstmordgelüste, wie er sie an diesem Nachmittag demonstriert hatte, möglicherweise in nackte Mordlust umschlagen konnten.
»Einen Augenblick bitte«, sagte Lord Emsworth.
Er schlurfte zurück ins Haus, und als er wiederkam, sah er zufriedener aus. Er trug jetzt einen knorrigen Wanderstock mit einem Elfenbeinknauf.
Cocktails vor dem Abendessen
1
Blandings Castle lag behaglich ausgestreckt im goldenen Glanz des Sommerabends. Das Unwetter, das noch vor zwei Stunden mit solcher Heftigkeit über seinen Parks, Gärten und Gebäuden getobt hatte, war nur mehr Erinnerung. Es war vorübergezogen und hatte Frieden und Vogelsang zurückgelassen und einen Sonnenuntergang aus Rot und Grün und Orange und Opal und Amethyst. Die Luft war kühl und frisch, und aus dem Boden stieg ein würziger Duft. Kleine Sterne blinzelten vom regenklaren Himmel herunter.
Für Ronald Fish, der zusammengesunken in einem Sessel seines Schlafzimmers im zweiten Stock saß, hatten die günstigeren Witterungsverhältnisse jedoch nichts Erhebendes. Er sah zwar den Sonnenuntergang, aber er empfand nichts dabei. Er konnte die Amseln im Buschwerk trällern hören, aber sie waren ihm piepegal. Kurz gesagt, Ronald Overbury Fish ist zu der Zeit, da wir ihn wieder in diese Geschichte einbeziehen, keineswegs glänzender Laune.
Die Gedanken eines Mannes, der sich erst kürzlich mit einem erheblich größeren Mädchen verlobt hat und dessen Gefühle für dieses Mädchen sich in der nüchternen Feststellung erschöpfen, daß sie im großen und ganzen so unrecht nun auch wieder nicht ist, tendieren zwangsläufig zum Griesgrämig-Mürrischen. Und die Umgebung, in der Ronnie die zweite Hälfte des Nachmittags verbracht hatte, war auch kaum dazu angetan gewesen, ihn fröhlicher zu stimmen. Zu dem Zeitpunkt, als die Wolken plötzlich barsten und die Welt in ein Duschbad verwandelten, spazierte er nämlich gerade den Weg an der Mauer hinter dem Gemüsegarten entlang, und der einzige Unterschlupf, der sich ihm anbot, war ein finsterer Schuppen, der zur Heizanlage des Gewächshauses führte. Dort war er hineingeschlupft wie ein Kaninchen auf dem Heimweg, und dort hatte er, auf ein paar Backsteinen hockend, volle fünfzig Minuten verbracht, ganz alleine mit seinen Gedanken und einem kleinen grünen Frosch.
Dieser Schuppen war die letzte Ruhestätte für ein Sammelsurium von Dingen aus dem angrenzenden Gemüsegarten. Hier stand ein Schubkarren, dem das Rad fehlte und der sich deshalb wie betrunken zur Seite neigte, da lagen Tonscherben in jeder Größe, und dort gab es verwelkte Blumen, eine durchgerostete Gießkanne, einen Rechen mit großen Zahnlücken, ein paar für den Verzehr nicht mehr geeignete Kartoffeln und die Überreste eines Maulwurfs. Das Ganze erinnerte stark an etwas vom Höllen-Breughel, und Ronnies ohnehin gedrückte Stimmung sank und sank.
Ernüchtert von Regen, Schubkarren, Gießkannen, Rechen, Kartoffeln und Maulwürfen – ganz zu schweigen von dem Frosch, dessen kühler, hochmütiger Blick an den eines Türstehers in einem der besseren Londoner Nachtlokale erinnerte –, hatte Ronnie sich bald schon Vorwürfe wegen seiner überstürzten Verlobung mit Millicent gemacht. Und jetzt, in der behaglicheren Umgebung seines Schlafzimmers, bereute er mehr denn je.
Ihn quälte wie die meisten Menschen, die nach einer trotzigen, dramatischen Geste ins Nachdenken kommen, das Gefühl, viel weiter gegangen zu sein, als klug war. So ähnlich mußte sich Samson gefühlt haben, als er die Säulen des Tempels krachen hörte. Große Gesten sind ja schön und gut, solange der Rausch anhält, nur hält er leider nie sehr lange an.
Als er Millicent bat, seine Frau zu werden, da war er – soviel war ihm jetzt klar – zu weit gegangen. Er hatte den Bogen überspannt. Nichts gegen Millicent als Ehefrau. Absolut gar nichts – solange sie die Frau eines andern war. Was
Weitere Kostenlose Bücher