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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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vom Sekretär ab und der Kommode zu.
    Da Frisierkommoden viel Licht brauchen, werden sie für gewöhnlich so placiert, daß sie auch genug davon bekommen. Diese hier machte da keine Ausnahme. Sie stand so nah bei den geöffneten Fenstern, daß der Luftzug mit den Fransen der Lampenschirmchen am Spiegel spielte. Als Baxter davor stand, konnte er erstmals den Balkon in voller Länge überblicken.
    Und als er ihn überblickte, schien ihm sein Herz seitlich wegzurutschen. Draußen stand, an die Brüstung gelehnt und hinausblickend auf das Kieselmeer, das sich von der rhododendrongesäumten Auffahrt bis zum Hauptportal erstreckte, ein junges Mädchen. Und obwohl sie ihm den Rücken zuwandte, fiel es Baxter nicht schwer, sie zu identifizieren.
    Einen Augenblick lang stand Baxter da wie tiefgefroren. Der Eishauch des Unerwarteten läßt auch die größten Männer erstarren. Selbstverständlich hatte er angenommen, daß Sue unten im Speisesaal sei, und er brauchte mehrere Sekunden, um sich auf die unerfreuliche Tatsache einzustellen, daß sie sich auf ihrem Balkon befand. Als er sich wieder soweit in der Gewalt hatte, daß er sich geräuschlos aus ihrer Sichtweite entfernen konnte, war seine erste Reaktion eine leicht ärgerliche. Diese Sprunghaftigkeiten und Capricen, diese Umdispositionen in letzter Minute, diese plötzlichen Entschlüsse, oben zu bleiben anstatt hinunterzugehen – das war es, was das weibliche Geschlecht letzten Endes doch unbefriedigend machte!
    Dem Ärger folgte ein Gefühl der Resignation. Er sah ein, daß ihm nichts anderes übrig blieb, als die Suche aufzugeben und sich zurückzuziehen. Auf Zehenspitzen schlich er zur Tür, wobei er diesmal die Dicke des Teppichs, die ihm einen geräuschlosen Abgang ermöglichte, dankbar zur Kenntnis nahm, und fast war er schon dort, als draußen ein leises Klappern und Klirren hörbar wurde, wie es Teller und Schüsseln verursachen, die auf einem Tablett einem Gast gebracht werden, der nach einer langen Bahnreise darum gebeten hat, das Essen auf dem Zimmer serviert zu bekommen.
    Übung macht den Meister. Zum zweitenmal innerhalb von drei Stunden sah Baxter sich gefangen in einem Zimmer, in dem er auf keinen Fall entdeckt werden durfte, und allmählich bekam er Routine. Beim letzten Mal in der Kleinen Bibliothek hatte er sich vogelgleich aus dem Fenster geschwungen. In der gegenwärtigen Situation war ein solches Vorgehen, wie er sogleich erkannte, nicht angezeigt. Es dem Aar in den Lüften gleichtun zu wollen, war zwecklos. Falls er versuchte, majestätisch und mit durchgedrückten Knien über den Balkon zu entschweben, würde er unweigerlich von Sue gesehen werden und sich außerdem eine Fraktur des Halswirbelknochens zuziehen. Nein, hier war es angebrachter, wegzutauchen wie eine Ente.
    Als der Türknauf sich bewegte, ließ sich deshalb Rupert Baxter – auch in dieser schweren Stunde ganz der Tüchtige – auf alle viere fallen und so gewandt unters Bett gleiten, als hätte er das seit Wochen geübt.
3
    Aufgrund der beengten Verhältnisse und des eingeschränkten Gesichtskreises kann sich ein Mann, der sich unter einem Bett versteckt hält, praktisch nur damit die Zeit vertreiben, daß er den Geräuschen lauscht, die von draußen kommen. Mal hört er etwas Interessantes, dann wieder nur das leise Seufzen der Zugluft am Boden; mehr jedenfalls steht ihm nicht zu Gebot.
    Das erste Geräusch, das an Rupert Baxters Ohr drang, war das eines Tabletts, welches auf dem Tisch abgestellt wurde. Nach einer Pause schritten dann ein Paar knarrende Stiefel über den Teppich und entknarrten sodann außer Hörweite. Baxter erkannte daran das Schuhwerk des Dieners James, eines unverbesserlichen Stiefelknarrers.
    Danach schnaufte jemand, was auf die Anwesenheit von Beach schließen ließ.
    »Ihr Abendessen steht bereit, Miss.«
    »Oh, vielen Dank.«
    Das junge Mädchen war anscheinend vom Balkon hereingekommen. Ein appetitanregender Duft zog Baxter in die Nase und regte seinen Speichelfluß aufs unangenehmste an. Er merkte jetzt, wie hungrig er war und wie unklug er daran getan hatte, es bei ein paar Sandwiches zum Abendessen bewenden zu lassen und sich ohne solide Grundlage in dieses Abenteuer zu stürzen.
    »Es gibt Huhn, Miss. En casserole.«
    Baxter hatte das bereits erschnuppert und bemühte sich, nicht daran zu denken. Er stöhnte innerlich. Ihn quälte nicht nur der Hunger, sondern auch noch ein heftiger Krampf im linken Bein. Er legte sich auf die Seite und zwang sich zur

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