Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht
auf die Qualen einzustellen, die sein Besuch ihr bereiten würde. Als Evan ihn hereinführte, blieb sie – in sich zusammengekauert und mit fest vor der Brust verschränkten Armen – in ihrem Schaukelstuhl sitzen.
Noch bevor Evan die Tür hinter sich geschlossen hatte, um nach draußen zu den Wachen zurückzukehren, war Keenan bereits quer durchs Zimmer zu ihr gelaufen und stand neben ihr.
Sasha drückte sich eng an Donia, um sie zu beruhigen. Sie streichelte ihm geistesabwesend über den Kopf.
»Ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest«, sagte sie und sah Keenan an.
Keenan ließ sich zu Boden fallen, und fast wirkte es so, als imitiere er Sasha. »Seit Jahrzehnten warte ich darauf, dass du mich einlädst, ich habe darum gebettelt, bei dir sein zu dürfen.«
»Das war vor ihr.« Sie kam sich selbst albern dabei vor, aber sosehr sie sich auch wünschte, dass Ashlyn das Zepter aufhob, so eifersüchtig war sie auch. Ashlyn war die Richtige; sie würde die Ewigkeit mit Keenan teilen.
»Jetzt ist alles anders.« Donia versuchte vergeblich, sich nicht anmerken zu lassen, wie aufgewühlt sie war.
»Ich werde immer kommen, wenn du mich rufst. Wie oft habe ich dir das schon gesagt?«, flüsterte er, und seine Worte trugen den warmen Hauch des Sommers in sich. »Daran wird sich nichts ändern. Niemals.«
Sie legte ihre Hand auf seinen Mund, bevor er noch mehr sagen konnte. Dort, wo sie ihn berührte, bildete sich eine dünne Eisschicht, aber er beklagte sich nicht.
Das tut er nie .
Sie wich nicht zurück, obwohl sein Atem sie verbrannte. »Ich habe die Neuigkeiten von der Festwiese gehört. Dass sie die Gesuchte ist.«
Als Evan es ihr erzählt hatte, war sie den Tränen nahe gewesen. Sie hatte sich ausgemalt, wie sie ihnen nun bis in alle Ewigkeit beim Tanzen und Lachen würde zusehen müssen, während sie selbst mit ihrem Schmerz allein blieb. Es sei denn, Beira tötet mich .
»Don …« Seine Lippen bewegten sich unter ihrer Hand, ganz sanft, und trotzdem fügten sie ihr Schmerz zu – wie es auch seine Worte tun würden, wenn sie ihn nicht unterbrach.
Waren keine Zeugen anwesend, gab er sich ihr gegenüber so wie früher, als sie noch nicht gewusst hatte, dass er ein König war. Dann war er wieder ganz so wie der Keenan, in den sie sich verliebt hatte, und deshalb vermied sie es, mit ihm allein zu sein.
»Nein«, sagte sie. Sie wollte seine sanfte Seite nicht sehen, nicht jetzt. Heute war es wichtig, dass er als Sommerkönig vor sie trat. Sie brauchte den arroganten und selbstbewussten Keenan, der tun konnte, was getan werden musste.
Von ihrer Hand stieg Dampf auf, als er ausatmete und der Hauch des Sommers ihr Eis schmolz. In heimlichen Träumen, die sie ihm niemals anvertraut hätte, fragte sie sich manchmal, was wohl passieren würde, wenn ihr Frost und seine Sonne einmal wirklich aufeinanderprallen würden. Wenn sie sich berührten, wie sie es in den wenigen Wochen getan hatten, bevor sie zum Wintermädchen geworden war. Ob sie dann wegschmolz? Verglühte?
Sie erschauderte – ganz erregt bei dem Gedanken – und spürte, wie die Kälte in ihr aufwogte, ihre Gefühle wie ein Schneesturm in ihr wüteten. Wenn sie sich nicht beruhigte, würde sie diese schreckliche Kälte herauslassen müssen.
»Beira war gestern Abend hier. Du solltest wissen, was sie im Schilde führt.«
Er nickte und sah erschöpft aus, während sie ihm fast alles erzählte – von Beiras erstem Besuch bei ihr kurz nachdem seine Wahl auf Ashlyn gefallen war; vom Angriff auf Ashlyn vor der Bibliothek, den sie auf einen Befehl Beiras zurückführte; von Agathas Tod; von Beiras Drohungen und ihrem Beharren darauf, dass Ashlyn das Zepter nicht in die Finger bekommen dürfe.
Seths Nachforschungen erwähnte sie nicht, weil sie um die Sicherheit des Sterblichen fürchtete, aber ansonsten war sie Keenan gegenüber so offen wie schon lange nicht mehr. Als sie fertig war, starrte er sie schweigend an und konnte seine Wut kaum bezähmen.
Sie presste ihre Hände so fest zusammen, dass sich an ihren Fingerspitzen kleine Eiszapfen bildeten. Jetzt kommt der schwierige Teil.
»Lass uns gehen.« Er schaute zu Sasha und dann zu den kleinen Andenken, die die früheren Wintermädchen hinterlassen hatten. »Die Wachen bringen deine Sachen später nach. Wir können das Büro in ein Gästezimmer umwandeln und …«
»Keenan«, unterbrach sie ihn, bevor sie in Versuchung kommen konnte.
Wenn er gründlich nachdachte, würde ihm
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