Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
seinen Armen liegen würde. Nicht zum ersten Mal war er froh, dass Seth bei ihm war. Die Ruhe, die dieser Sterbliche ausstrahlte, schien Niall dabei zu helfen, sich zu beherrschen. Normalerweise .
Wirklich nicht sehr hilfreich, wenn ich mir solche Dinge ausmale.
In der – vielleicht irrationalen – Hoffnung, dass etwas Distanz seiner Selbstkontrolle förderlich wäre, vergrößerte er den Abstand zu Leslie ein wenig.
Keenan hatte Niall vorgeschlagen, selbst eine Beziehung einzugehen, jetzt, wo der Sommerhof erstarkt war – und von Tag zu Tag mächtiger wurde . Doch Niall konnte sich nicht vorstellen, dass man ihm erlauben würde, eine Beziehung mit einer Sterblichen einzugehen, schon gar nicht mit einer, die unter Ashlyns ganz besonderem Schutz stand. Sein König würde ihn bestimmt nicht dazu auffordern, der Sommerkönigin den Gehorsam zu verweigern.
Oder doch?
Und Niall hatte nicht vor, das Vertrauen seines Königs oder seiner Königin zu enttäuschen, jedenfalls nicht mit Absicht. Sie hatten ihn gebeten, für die Sicherheit der Sterblichen zu sorgen, also würde er genau das tun. Er konnte der Verlockung widerstehen.
Aber er musste trotzdem seine Hand zur Faust ballen. Dieses Verlangen, seine Haut an ihrer zu reiben, diesen Drang, ihr ganz nah zu sein, hatte er seit Jahrhunderten nicht mehr so stark verspürt. Er starrte sie an, als könnte er dadurch herausfinden, warum es ausgerechnet bei ihr so war, warum gerade jetzt.
Leslie bemerkte, dass Niall sie unverwandt ansah. »Das ist irgendwie unheimlich, weißt du das?«
Er schaute amüsiert. Am Ende seiner Narbe bildeten sich kleine Fältchen, als er sie kaum merklich anlächelte. »Bin ich dir zu nahe getreten?«
»Nein. Aber es ist seltsam. Wenn du etwas sagen willst, dann spuck es aus.«
»Das würde ich ja, wenn ich nur wüsste, was ich sagen soll«, erwiderte Niall. Er legte ihr eine Hand auf den Rücken und schob sie leicht vorwärts. »Komm. Im Club können wir besser entspannen als hier draußen, hier ist es nicht sicher.« Er wies mit dem Arm die leere Straße auf und ab. »Hier bist du so verwundbar.«
Seth räusperte sich und warf Niall einen finsteren Blick zu. Dann wandte er sich an Leslie: »Der Club ist gleich hier um die Ecke.«
Leslie beschleunigte ihren Schritt etwas, um Nialls Hand abschütteln. Aber es half nichts: Er passte sich ihrem Tempo an.
Als sie um die Ecke bogen und Leslie das dunkle Gebäude sah, das vor ihnen lag, stieg Angst in ihr auf. Es gab kein Schild, kein Poster, keine Menschenschlange – nichts, was darauf hingedeutet hätte, dass dieses Gebäude etwas anderes war als eine leerstehende Ruine. Ich sollte jetzt eigentlich richtig panisch werden. Aber sie tat es nicht, und sie verstand überhaupt nicht warum.
»Da vorn ist der Türsteher«, sagte Niall.
Sie schaute noch einmal hin. Vor dem Gebäude stand tatsächlich ein muskelbepackter Typ, dessen eine Gesichtshälfte von einem reich verzierten Tattoo bedeckt war. Die Spiralen und Linien verschwanden unter einer Haarpracht, die ebenso schwarz war wie die Tinte des Tattoos. Die andere Gesichtshälfte war nicht tätowiert, dort prangte nur ein kleines schwarzes Piercing, das über der Oberlippe saß und daher an einen Stoßzahn erinnerte. Das passende weiße Gegenstück steckte auf der tätowierten Gesichtshälfte im Mundwinkel.
»Hat Keenan denn nichts dagegen, wenn die Kleine hier reinkommt?« Der Mann zeigte mit dem Finger auf sie, und erst in dem Moment wurde Leslie bewusst, dass sie ihn die ganze Zeit anstarrte – unter anderem, weil sie gar nicht fassen konnte, wie sie diesen Typen hatte übersehen können.
»Sie ist eine Freundin von Ashlyn, und es sind ein paar unangenehme Gäste in der Stadt. Die …«, Niall unterbrach sich und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen, »… Ashlyn ist mit Keenan unterwegs.«
»Sind Keenan und Ashlyn nun einverstanden oder nicht?«, fragte der Tätowierte.
Niall packte seinen Unterarm: »Sie ist mein Gast, und der Club ist doch wahrscheinlich ohnehin fast leer, oder?«
Der Türsteher schüttelte den Kopf, öffnete jedoch die Tür und winkte einem kleinen, ebenfalls muskulösen Typen mit den unglaublichsten Dreadlocks, die Leslie je gesehen hatte. Sie waren dick und gleichmäßig und umrahmten sein Gesicht wie eine Löwenmähne. Einen Augenblick dachte Leslie sogar, es sei tatsächlich eine Mähne.
»Wir haben einen neuen Gast«, sagte der Türsteher, als der Typ mit den Dreadlocks herauskam. Die Tür
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