Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
schlug mit einem lauten Knall hinter ihm zu.
Dreadlock kam näher und schnüffelte.
Nialls Mundwinkel zuckten. »Sie ist mein Gast«, knurrte er.
»Deiner?«, fragte Dreadlock. Seine Stimme war heiser, als lebte er von Zigaretten und Schnaps.
Leslie wollte dem besitzergreifenden Ton in Nialls Stimme etwas entgegensetzen, doch Seth legte eine Hand auf ihren Arm. Sie sah ihn an, und er schüttelte den Kopf.
»Mein Rudel ist …«, begann Dreadlock.
Seth räusperte sich laut.
»Geh rein und sag Bescheid«, befahl der Türsteher, hielt die Tür auf und bedeutete Dreadlock hineinzugehen. »Zwei Minuten.«
Sie standen einen Moment verlegen da, bis die Spannung für Leslie unerträglich wurde. »Wenn es irgendein Problem gibt, dann …«
Doch die Tür hatte sich bereits wieder geöffnet und Seth betrat das düstere Gebäude.
»Komm.« Auch Niall ging hinein.
Sie machte ein paar Schritte, blieb dann jedoch stehen, ohne zu wissen, was sie sagen oder tun sollte. Die wenigen Clubgäste trugen alle seltsame, kunstvolle Kostüme. Die Arme einer vorbeikommenden Frau waren von Weinreben bedeckt, die Blüten zu tragen schienen.
Wie dieses lebende Kunstwerk im Museum.
Ein anderes Paar trug gefiederte Flügel und wieder andere hatten blaue Gesichter und unförmige Zähne, die jedoch nicht wie die Vampirzähne aussahen, die man zu Halloween überall kaufen konnte, sondern eher wie spitze Haifischzähne.
Niall blieb neben ihr stehen und legte ihr erneut seine Hand in den Rücken. In dem merkwürdigen blauen Licht des Clubs sahen seine Augen aus, als würden sie reflektieren; die Narbe bildete einen schwarzen Strich auf seiner Haut.
»Macht es denn nichts, dass wir nicht kostümiert sind?«, fragte Leslie flüsternd.
Er lachte. »Nein, gar nicht. Die anderen sind es ja auch nicht, die laufen jeden Tag so rum.«
»Jeden Tag? Gehören die zu so einer Reenactment-Gruppe, die historische Szenen nachstellt? Oder machen sie irgendwelche Rollenspiele?«
»So was in der Art.« Seth rückte sich einen Stuhl mit hohen Beinen zurecht. Er war aus glänzendem Holz, wie die anderen Möbel auch. Alles in diesem schlecht beleuchteten Club schien aus Holz, Stein oder Glas zu sein.
Im Gegensatz zum Äußeren des Gebäudes war der Club innen kein bisschen heruntergekommen. Der Boden glänzte wie polierter Marmor. An der Längsseite des Raums verlief ein langer, schwarzer Tresen. Er war weder aus Holz noch Metall, und für Glas schien er zu dick zu sein. Wenn die rotierenden Lichter auf den Tresen fielen, leuchteten Farben darin auf – Violett- und Grüntöne. Leslie staunte mit offenem Mund.
»Das ist Obsidian, ein spezielles Gestein«, erklärte eine raue Stimme neben ihrem Ohr. »Wirkt beruhigend auf die Gäste.«
Eine Kellnerin in einem hautengen Anzug mit schimmernden Schuppen an den Armen und Beinen kam heran. Sie ging um Leslie herum und schnüffelte an ihren Haaren.
Leslie wich ihr aus.
Obwohl weder Niall noch Seth eine Bestellung aufgegeben hatte, reichte die Kellnerin ihnen bereits Getränke – Niall einen goldenen Wein und Seth ein Bier aus einer ortsansässigen Brauerei.
»Gibt es hier keine Altersbeschränkung für Alkohol?« Leslies Blick wanderte durch den Raum. Die Leute in den seltsamen Kostümen hielten alle Drinks in der Hand, obwohl einige von ihnen jünger aussahen als sie selbst. Dreadlock stand bei einer Gruppe von vier anderen Jungs mit ähnlichen Frisuren. Sie teilten sich einen Krug, der offenbar mit dem gleichen goldenen Wein gefüllt war, den auch Niall trank.
Einen Krug mit Wein?
»Jetzt verstehst du sicher, warum ich lieber hierher gehe. Im Crow’s Nest kann Seth nicht so gut entspannen. Außerdem gibt es meinen bevorzugten Jahrgang …«, Niall hob sein Glas an die Lippen und nippte daran, »… in keinem anderen Club der Stadt.«
»Willkommen im Rath, Leslie.« Seth lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und zeigte auf die Tanzfläche, wo mehrere fast normal aussehende Leute tanzten. »Dieser Club ist verrückter als alles, was du je zu Gesicht bekommen wirst … wenn du Glück hast.«
Die Musik wurde plötzlich lauter, und Niall nippte erneut von seinem Wein. »Ich hätte da eine Idee, wie du dich noch ein bisschen besser entspannen könntest, Seth. Ein paar von den Mädchen …«
»Geh tanzen, Niall. Wenn wir in den nächsten Stunden nichts von Ash hören, müssen wir Leslie zur Arbeit bringen.«
Niall erhob sich. Er stellte sein halbvolles Glas auf den Tisch und wies auf die
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