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Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Titel: Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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kann. Das alles sollte mir Angst machen. Es sollte mich dazu bringen, mit jemandem darüber zu reden. Aber ich konnte es nicht … bis jetzt.«
    »Weißt du, wann es angefangen hat?« Er war besorgt. Sie spürte einen deutlichen zitronigen Geschmack auf der Zunge und wusste, dass dieser Geschmack dem Gefühl der Sorge entsprach.
    »Ich weiß es nicht genau …« Sie versuchte sich zu konzentrieren. Verschiedene Worte schwirrten durch ihren Kopf – das Restaurant, das Tattoo, das Rath and Ruins, das Museum, wann, warum  – doch als sie den Mund öffnete, waren all diese Wörter verschwunden.
    »Irial«, sagte Niall.
    Seine salzige Wut und seine zimtige Eifersucht flammten wieder auf, bis ihr die Kehle davon brannte. Sie schnappte nach Luft, erstickte beinahe daran. Doch als sie ihre Gedanken auf Irial richtete, wurde all das fortgeschwemmt. Sie wurde wieder ruhig. Der Geschmack auf ihrer Zunge verschwand.
    Niall führte sie eilig über die Straße und in das alte Gebäude. »Du bleibst heute bei mir. Hierher wird er nicht kommen. Heute Abend reden wir mit Ashlyn und Keenan. Und danach wirst du in Sicherheit sein. Einverstanden?«
    Seine Sorge breitete sich in ihr aus, erfüllte sie – und verschwand wieder, als hätte sie einen Kanal gefunden, durch den sie entweichen konnte. An ihre Stelle trat tiefe Ruhe. Leslie fühlte sich plötzlich körperlich wieder genauso geschwächt wie neulich, als sie in Rabbits Sessel gesessen hatte. Aber ich werde nicht darüber sprechen. Sie zuckte die Achseln. »Wir hatten ja ohnehin noch keine konkreten Pläne. Ich bleibe eine Weile hier, dann gehe ich zur Arbeit, dann zu Rabbit, und danach treffen wir uns wieder. Warum nicht?«
    »Nur noch ein paar Stunden, dann wird alles gut.« Er nahm ihre Hand und wollte mit ihr die steinerne Wendeltreppe hinaufsteigen.
    »Gibt’s hier keinen Aufzug?« Sie schaute sich um. Von außen war das Gebäude ziemlich unauffällig und heruntergekommen wie die meisten Häuser in Huntsdale, doch innen war es wunderschön. Obsidian, Marmor und Holz schienen das sonst übliche Metall zu ersetzen, genau wie im Rath.
    »Nein, hier drinnen ist Stahl verboten«, antwortete Niall gedankenverloren.
    Sie folgte ihm, bis sie an eine Tür kamen, die viel zu prachtvoll war, um zufälligen Passanten zur Schau gestellt zu werden. Steine – keine geschliffenen Juwelen, sondern rohe Steine – waren in das Holz eingelassen und bildeten dort ein Mosaik. Sie streckte den Arm aus und ließ ihre Hand darüber schweben. »Phantastisch.«
    Niall öffnete die Mosaiktür – und was dahinterlag, war nicht weniger schön. Hohe, blattreiche Pflanzen dominierten den Raum. Unzählige Vögel flatterten durch die Luft und nisteten in Schlupfwinkeln oben in den hohen Säulen, die die von Weinranken überzogene Decke stützten.
    »Willkommen in unserem Zuhause, Leslie«, sagte er.
    Das klang seltsam förmlich, wie eine Warnung, dass dies nicht der richtige Ort für sie war, dass es schlauer wäre zu fliehen. Aber Leslie konnte weiterhin Nialls Emotionen schmecken – er war glücklich, fühlte sich geehrt – und darunter fand sich auch eine Spur aufrichtiger Liebe für sie. Also ging sie weiter in den Raum hinein und atmete den sommerlich süßen Duft der Blumen, die irgendwo in diesem Loft blühten.
    »Fühl dich ganz wie zu Hause, während ich im Bad bin.« Niall zeigte auf einen Polstersessel. »Und danach mache ich uns Frühstück. Wir bleiben hier. Uns wird schon etwas einfallen.«
    Sie öffnete den Mund, um zu antworten, doch er schien mehr mit sich selbst zu reden als mit ihr. Also machte sie es sich in dem Sessel bequem und beobachtete die Vögel, die über ihrem Kopf durch die Luft flogen. Bei Niall oder bei Irial, bei einem von beiden sollte ich immer sein. Sie wusste nicht warum, doch in diesem Moment war ihr das ganz klar. Ihre Gefühle wichen mit jedem Tag immer mehr von dem ab, was sie kannte, und die Emotionen anderer traten immer klarer hervor. Sie hörte die Ausreden, die sie benutzt hatte, um diese Veränderungen wegzuerklären – und wusste, dass sie auf Lügen und Selbstbetrug beruhten. All das sah sie nun mit eigenartiger Klarheit. Irgendetwas hielt sie davon ab, zu viel über die Gründe ihrer Veränderung nachzudenken; das war irgendwie verboten. Aber warum sich deswegen Sorgen machen? Was immer sie so veränderte, sorgte dafür, dass sie sich gut fühlte, so gut wie schon lange nicht mehr. Also schloss sie die Augen und genoss die Mattigkeit, die

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