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Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Titel: Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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Maschine und die Nadeln senkten sich in ihre Haut. Sie durchstachen nur die oberste Schicht, doch das reichte bereits aus, um alles zu verändern. Die Welt verschwamm und wurde dann wieder ganz scharf; hinter ihren geschlossenen Augenlidern erstrahlten Farben. Die Dunkelheit dehnte sich aus und zersplitterte dann in tausend Lichtschattierungen, von denen jede für eine bestimmte Emotion stand, ein Gefühl, das sie schlucken und genießen konnte. Diese Emotionen würden sie aufleben lassen, würden sie alle so viel stärker machen.
    Uns ernähren, uns retten, der Körper für die Seele. Ihre Gedanken vermischten sich mit Gefühlen, die in Wellen durch ihren Körper gingen und dann wieder davonglitten wie Fetzen eines Traums nach dem Aufwachen. Sie versuchte sie festzuhalten, ihr Verstand kämpfte darum, diese Emotionen zu bewahren und zu identifizieren. Es waren nicht nur ihre eigenen Gefühle: Sie spürte die Sehnsüchte von Fremden draußen auf der Straße – eine Montage aus Ängsten und Sorgen, Lust und Wut. Dann überschwemmten sie Begierden, die zu seltsam waren, als dass sie ihnen einen Namen hätte geben können.
    Doch jedes dieser Gefühle jagte wieder davon, kaum dass es sie gestreift hatte, wand sich über eine Schnur in die Ferne, die von ihr weg in die Finsternis führte, in den Abgrund, aus dem die Tinte geschöpft worden war, die sich nun unter ihrer Haut befand.
    Irial fiel in einen unruhigen Schlaf. Er spürte, wie sie – seine Leslie – mit jedem Stich von Rabbits Nadeln fester an ihn gebunden, enger an ihn gefesselt wurde, bis sie ganz ihm gehörte, mehr, als ihm eine seiner Elfen oder irgendjemand sonst je gehört hatte.
    Aber es fühlte sich an, als würden Rabbits Nadeln sein Herz, seine Lungen, seine Augen durchbohren. Leslie war in seinem Blut, so wie sein Blut in ihrer Haut war. Er spürte ihre Zärtlichkeit, ihr Mitgefühl, ihre Kraft, ihre Sehnsucht nach Liebe. Er spürte ihre Verletzlichkeiten und Hoffnungen – und wollte sie lieben und verwöhnen. Für einen König der Finsternis waren solch zarte Gefühle absolut unangemessen. Hätte ich den Tintentausch auch dann gewollt, wenn ich das vorher gewusst hätte?
    Er versuchte sich einzureden, dass er es dann nicht getan hätte, doch er hatte schon weitaus Schlimmeres über sich ergehen lassen, um die Sicherheit seiner Elfen zu gewährleisten.
    In seinen Albträumen war sie das Mädchen, das er durch die Straßen getragen hatte, seine Leslie, aus Wunden blutend, die ihr von Männern zugefügt worden waren, deren Gesichter noch immer unscharf waren. Er war sich nicht sicher, was real war und was durch Angst verzerrt, aber sie würde es ihm sagen. Er würde durch ihre Erinnerungen streifen, sobald sie sich näherkamen. Er würde sie trösten – und die Männer töten, die sie verletzt hatten.
    Sie würde ihn stärker machen, ihn ernähren, indem sie ihn mit menschlichen Gefühlen fütterte, auf die er ohne sie keinen Zugriff hatte. Und er würde lernen zu verbergen, wie viel sie ihm plötzlich bedeutete, wie unerträglich sterblich er sich plötzlich fühlte. Was hast du mit mir gemacht, Leslie? Er lachte, als ihm seine neue Schwäche bewusst wurde: Damit er stark genug war, um seine Elfen zu regieren, hatte er sich zugleich weiter vom Hof der Finsternis entfremdet als je zuvor.
    Was habe ich getan?
    Während Leslie mit geschlossenen Augen dasaß und wartete, hörte sie wieder dieses Lachen, aber diesmal machte es ihr nichts aus. Es fühlte sich gut an – sogar willkommen. Sie lächelte. »Schön, dieses Lachen.«
    »Nicht bewegen«, mahnte Rabbit sie.
    Dann ging er wieder an die Arbeit. Das Summen der Maschine klang jedoch plötzlich noch lauter, als hätte sich ihr Gehör verändert. Sie seufzte, und einen Moment lang sah sie diese dunklen Augen, die gerade in ihre Haut gemalt wurden, fast vor sich – nur dass sie sie von außerhalb dieses Raumes anzusehen schienen. Sie fühlten sich so nah an, dass Leslie sich fragte, ob sie sie sehen würde, wenn sie ihre eigenen Augen aufschlug.
    Das Summen verstummte, doch irgendwie gelang es ihr nicht, die Augen zu öffnen, als Rabbit ihr den Rücken abwischte.
    Schlaf jetzt. Es war nur ein Flüstern, doch sie war sicher, dass eine reale Person mit ihr redete, die nicht Rabbit war.
    Aber wer?
    Und er antwortete, ihr unsichtbarer Sprecher: Du weißt, wer ich bin, Leslie. Kann sein, dass dir die Antwort noch nicht gefällt, aber du kennst mich, mein Liebling .
    Sie hörte, wie neben ihr ein

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