Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
versuchte sich an Rabbit vorbei aus dem Raum zu stehlen. Doch er packte sie, hob sie hoch und hielt sie am ausgestreckten Arm vor sich, als wäre sie ein ungezähmtes Tier. Dabei betrachtete er sie allerdings mit der gleichen Zuneigung wie damals, als Ani noch ein neugeborenes Welpenmädchen gewesen war.
Er wechselte abrupt das Thema. »Leslie geht jetzt.«
Um zu verbergen, wie sehr ihn seine Gefühle für Leslie verwirrten, konzentrierte Irial sich auf Ani, die kichernd mit den Beinen in der Luft strampelte. »Ani kann hier nicht bleiben«, sagte er.
»Ich weiß.« Rabbit küsste Ani auf die Stirn. Seine Augen leuchteten auf, als er hinzufügte: »Dad wird sich ganz schön mit ihr rumärgern.«
Ein Kribbeln auf der Haut verriet Irial, dass die Hunde sich näherten – sie verbreiteten einen Schrecken, der auf ihn wie ein beruhigender Balsam wirkte. Einige Elfen vor der Tür – nicht seine, sondern Sommerelfen – zuckten zusammen, als die Hunde vorbeiliefen. Und an der Angst, die die Hunde durch ihre bloße Anwesenheit verbreiteten, stillte Irial seinen Hunger.
»Daddy!«, kreischte Ani und trat erneut um sich.
Die Hundselfen blieben draußen – alle außer Gabriel. Er nickte Rabbit zu. »Hallo, Kleiner.«
Rabbit sah seinen Vater genervt an und wandte sich dann Irial zu. »Du solltest dich um Leslie kümmern. Daddy wird mit Ani schon zurechtkommen.« Dann grinste er, wodurch seine große Ähnlichkeit mit seiner Schwester wieder zum Vorschein kam. »Ich packe jetzt erst mal Anis Sachen, damit sie zusammen mit dem Rudel verschwinden kann.«
Irial ignorierte den panischen Ausdruck, der über Gabriels Gesicht huschte, und antwortete: »Lass Ani aber nicht hier herumstreunen, während du packst.«
Nachdem Rabbit die kichernde Ani weggetragen hatte, brachte Irial Gabriel auf den neuesten Stand.
»Was soll ich denn mit ihr?« Gabriel, der Hundself, der die erschreckendsten Kreaturen anführte, die die Erde bewohnten, klang plötzlich völlig eingeschüchtert. »Wie soll ich denn … Sie ist weiblich, Irial. Haben die nicht andere Bedürfnisse?«
»Sie kann auch nicht schlimmer sein als du in deiner Jugend. Frag einfach eine von deinen Frauen um Rat.« Irial sog so viel Nahrung wie möglich aus Gabriels Mischung aus Panik, Aufregung und Stolz. Irial musste sich stärken vor seinem Zusammentreffen mit Leslie, musste gut gesättigt sein, damit er nicht gleich zu viele menschliche Emotionen durch sie hindurchsog. Sie soll sich erst an mich gewöhnen, mit mir reden. Er sorgte sich um seine Sterbliche. Wenn die anderen Dunkelelfen nach dem Tintentausch ebenfalls diese Schwäche verspürt hatten, dann hatten sie es ihm gegenüber verschwiegen.
Gabriel redete immer noch; Irial zwang sich, dem Hund zuzuhören.
»… sie sind einfach keine guten Vorbilder für mein kleines Welpenmädchen. Hast du sie in letzter Zeit mal getroffen? Chela und ihr Wurf haben die Abgeordneten von Sorchas Hof im letzten Mond geradezu abgeschlachtet.«
»Letzten Monat, Gabriel. Im letzten Monat .«
Völlig unbeeindruckt von seinem König wedelte Gabriel wegwerfend mit der Hand durch die Luft. »Sie sind kein Umgang für Ani. Sie ist so klein.« Er lief aufgeregt hin und her, während er weiter über die anderen weiblichen Hundselfen daherschwafelte.
Sie waren wirklich sehr wild und brutal, aber Irial konnte schlecht etwas gegen Elfen einwenden, die ihm Sorchas Hof vom Leib hielten.
»Kann sie laufen ?« Gabriel platzte vor Stolz, der fast widerlich süß schmeckte.
Irial schloss die Augen und kostete Gabriels nach Orange und Zucker schmeckenden Gefühlsansturm aus. »Frag sie.«
»Kann ich vorher noch irgendwas für dich tun?« Gabriel hielt inne, still wie eine Welle, bevor sie bricht.
»Nein. Nimm einfach Ani mit nach Hause. Aber schreib dir Rabbits Telefonnummer auf, damit du ihn anrufen kannst, wenn du einen Rat brauchst wegen ihr.«
Gabriel knurrte einmal kurz.
Irial sah ihn wütend an; Gabriels Stolz war ihm nur allzu vertraut. »Er hat sie aufgezogen. Du kennst sie nicht. Also besorg dir seine Nummer.«
Gabriels Gesichtsausdruck hätte so ziemlich jeden Elfen und Sterblichen erstarren lassen. Befehle zu akzeptieren – sogar wenn es Befehle seines Königs waren –, lief seinen Instinkten zuwider. »Wenn du sie nicht brauchst, tu es für sie. Die beiden sollten in Kontakt bleiben. Sie sind ein Rudel für sich«, fügte Irial etwas versöhnlicher hinzu.
Gabriel machte eine angedeutete Verbeugung. »Brauchst du noch
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