Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
hob Devlin eine Hand. »Ich weiß. Du bist die Königin des Lichts. Du hast das Recht dazu. Du hast das Recht zu allem.« Einen seltsamen Moment lang schien er sie fast zärtlich anzusehen, doch dann sagte er: »Ich werde für seine Sicherheit sorgen, wenn er dort ist, aber du musst diese Emotionen verbergen. Sie sind unnatürlich.«
Der Elf, der sie schon länger beriet, als sie sich beide erinnern konnten, schien nur die Bedürfnisse des Hofs im Kopf zu haben.
Und das sollte ich auch tun.
Aber als sie zu ihren Geschäften zurückkehrte, fragte sie sich, ob Seth ihr Privatgarten gefallen würde und welche Kunstwerke er wohl noch für sie erschuf, bevor er ging.
Sorcha kam täglich in Seths Räume und hörte sich an, was er zu sagen hatte. Wenn er nicht gerade arbeitete, verbrachte sie Stunden damit, ihm so viel von der Weite des Elfenreichs zu zeigen, wie es ihre begrenzte Zeit erlaubte. Er würde sie vermissen, wenn er weg war. Ganz ähnlich wie damals, als er erfahren hatte, dass Linda weggehen würde, fühlte er bei dem Gedanken an die bevorstehenden Monate ohne ihre Gesellschaft einen dumpfen Schmerz. Es war zwar sentimental, aber er fürchtete, dass er es ihr trotzdem gestehen würde.
Heute machte die Königin des Lichts ein nachdenkliches Gesicht, als sie hereinkam; ihre Mondlichtaugen versprühten ein kaltes Glimmen, das so ganz anders war als Ashlyns sonnenbeschienenes Antlitz.
Bald werde ich wieder das Sonnenlicht sehen. Er lächelte bei dem Gedanken daran, bei Ashlyn zu sein, ihr zu erzählen, was er gesehen hatte, und ihr zu eröffnen, dass er einen Weg gefunden hatte, die Ewigkeit mit ihr zu teilen. Er wollte sie mit ins Elfenreich bringen. Vielleicht erlaubt Sorcha ja, dass Ash diesen einen Monat mit mir zusammen verbringt. Oder mich besucht. Er war sich nicht sicher, ob er sie fragen sollte – eigentlich nicht bevor er mit Ashlyn gesprochen hatte –, doch selbst wenn sie es nicht gestattete, war ein Monat pro Jahr ein niedriger Preis. Er hatte im Austausch für ein paar kurze Monate die Ewigkeit mit Ashlyn erlangt.
Sorcha sagte nichts. Sie trat einfach ans Fenster und stieß es auf, um das Mondlicht und den schweren Jasmingeruch hereinzulassen. Es war Tag, doch im Elfenreich veränderte sich der Himmel nach Sorchas Lust und Laune: Offenbar hatte sie das Gefühl, jetzt müsse Nacht sein.
»Guten Morgen«, murmelte Seth. Er hatte an einem neuen Gemälde gearbeitet. Es war nicht gut, aber irgendwann würde er es schaffen. Er wollte etwas Perfektes, etwas Ideales einfangen und es ihr schenken – ein Geschenk an die eine Königin, um zu der anderen zurückkehren zu können. Was er für Sorcha empfand, glich auf merkwürdige Weise dem, was er für Linda empfunden hatte. Er wollte ihre Anerkennung. Er wollte, dass sie stolz auf ihn war.
Aber genau in diesem Moment streckte Sorcha eine Hand aus, und er bot ihr, wie erwartet, seinen Arm an.
»Manieren, Seth. Frauen mögen es, wenn ein Mann Manieren hat.« Seths Vater stand vor dem Spiegel und befestigte den steifen weißen Kragen an seinem blauen Uniformrock. Die Uniform schien ihn in einen anderen Menschen mit geraderer Haltung und schneidigeren Bewegungen zu verwandeln. Und sie verwandelte auch Linda in einen anderen Menschen. Seths Mutter saß neben ihm und strich ihm übers Haar, während sie bewundernd ihren Ehemann anschaute.
»Manieren«, wiederholte Seth gehorsam, während er sich in ihre Arme schmiegte. Er war zwar inzwischen in der vierten Klasse, aber die seltenen Streicheleinheiten seiner Mutter ließ er sich trotzdem nicht entgehen. Auch wenn kein Zweifel bestand, dass sie ihn liebte, schenkte sie ihm nur selten ein wenig Zärtlichkeit.
»Lass sie durch kleine Gesten wissen, dass es nichts und niemanden im ganzen Universum gibt, das wichtiger ist als sie, wenn du sie ansiehst«, sagte sein Vater, als er sich vom Spiegel abwandte. Er bot Linda seine Hand an, und sie erhob sich lächelnd. Sie trug noch ihren Hausmantel, war aber bereits frisiert und hatte Make-up für den Ausgeh-Abend aufgelegt.
Seth sah zu, wie sein Vater ihr einen Handkuss gab, als sei sie eine Königin.
Seth hatte die Lektionen, die sein Vater ihm fürs Leben mitgegeben hatte, damals zwar nicht immer ganz verstanden, doch sie waren von unschätzbarem Wert. Seth unterdrückte einen Anfall von Sehnsucht nach seiner Familie.
Sorcha schwieg neben ihm. Sie hatte ihn in einen anderen Saal geführt und näherte sich nun einem der zahlreichen Gobelins, die an den
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