Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
klang so gar nicht mehr wie der Elf, der ihr geholfen hatte, sich an ihre neue Rolle als Sommerkönigin zu gewöhnen, und ganz sicher nicht wie der Elf, der um Leslie geworben hatte. Diese Fassaden waren gefallen und vor ihr stand ein Elf, der die Schlimmsten derjenigen, vor denen sie sich als Kind versteckt hatte, noch übertraf.
Sie konnte ihr Sonnenlicht nur mit Mühe in Schach halten, während sie ihn wütend ansah. »Ich bin nicht diejenige, die Streit anfängt.«
»Soll ich es tun? Soll ich den Konflikt anzetteln, nach dem sie sich sehnen? Meine Elfen flüstern und singen Geschichten darüber, was wir alles tun könnten, solange euer Hof noch schwach ist. Es wird zunehmend schwieriger, nicht hinzuhören.« Seine dunklen Tänzerinnen wirbelten um ihn herum wie zum Leben erwachte Schatten. Gabriel und mehrere andere Hunde standen bereit.
Das hier könnte gefährlicher werden, als gut für uns ist.
Sie hatten nicht viele Leute mitgebracht; Ashlyn hatte keinen Ärger erwartet. Sicher, es gab Anzeichen von Unfrieden, doch Elfen trugen ständig kleine Meinungsverschiedenheiten miteinander aus. Die Oberhäupter der Höfe hielten sie in Schach. Niall hatte früher zu den Guten gehört. Und Donia ebenfalls. Die Höfe, die ihrem eigenen Probleme bereitet hatten, wurden nun beide von Elfen regiert, die einmal Keenans Vertraute – und mehr – gewesen waren. Er hatte sich darauf verlassen, dass die gemeinsame Vergangenheit den Sommerhof schützen würde. Zwar wusste Keenan, dass Niall und er nicht gut aufeinander zu sprechen waren, doch war er nicht davon ausgegangen, dass das zu echten Problemen führen würde. So funktionieren Elfenhöfe nicht, Ashlyn , hatte er ihr versichert. Und sie hatte ihm geglaubt – bis jetzt.
»Mache ich dir Angst, Ash?« Nialls Stimme war ein leises Flüstern, als wären sie allein im Raum. »Erinnere ich dich daran, warum du uns für Monster gehalten hast?«
»Ja.« Ihre Stimme klang zittrig.
»Gut.« Er schaute neben sie, wo sich eine Wand aus Schatten gebildet hatte. Dahinter lag der einzige Elf, der diese Schattenwand einreißen konnte. Auch sie selbst besaß die Fähigkeiten dazu, doch sie wusste nicht genau, wie es ging, und Keenan war bewusstlos.
Als wäre dieses Detail nur von beiläufigem Interesse, fügte Niall hinzu: »Dein König hat nie gelernt zu kämpfen. Dafür hatte er ja mich und all die anderen.«
Die Wand aus Schatten wuchs weiter empor und schloss Ashlyn und Niall in einer Blase ein. Sie drückte dagegen; ihre Konsistenz war zugleich fedrig und glitschig. Neumond. Hunger. Angst. Die Berührung ließ sie erschaudern. Bedürftigkeit. Ertrinken in schwarzen Wellen der Bedürftigkeit. Zähne.
Sie riss ihre Hand los und zwang sich, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. »Warum tust du das?«
»Um den Sterblichen zu beschützen, den du liebst?« Niall schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht zulassen, dass Keenan auch ihn zerbricht, und du hast bewiesen, dass du deine Freunde nicht vor ihm verteidigst. Du bist gut für deinen Hof, aber deine Sterblichen …«
»Es war dein Hof, der Leslie das angetan hat.«
»Und du hättest sie retten können. Wenn du ihr den Schutz deines Hofs angeboten hättest, bevor er sie sich genommen hat –« Er brach den Satz mit einem Knurren ab. »Du hast sie genauso im Stich gelassen, wie du Seth im Stich lassen wirst.«
»Ich habe Fehler gemacht, aber ich würde Seth niemals wehtun. Ich liebe ihn.« Ashlyn spürte, dass sie die Beherrschung zu verlieren drohte. Niall hatte sie in eine Falle gelockt, nachdem er ihren König niedergestreckt hatte, und nun gab er ihr zu verstehen, dass Seth wegen ihr verwundbar war. Zuvor hatte sie Niall nur versehentlich verletzt, aus Unbeherrschtheit, aber jetzt … jetzt wollte sie ihm wehtun. Und zwar richtig . Ihre Wut flammte auf, und diesmal sah sie keinen Grund, sie zu kontrollieren. Die Luft in der Blase aus Schatten wurde glühend heiß. Sie konnte den beißenden Wüstenwind schmecken, Sand auf ihren Lippen.
»Schlag mich, Ash. Los. Liefere mir einen Grund, meine Elfen auf eure loszulassen. Überzeuge mich davon, dass ich es meinem Hof gestatten sollte, eure zarten Sommermädchen zu quälen. Lade mich dazu ein, ihnen zu erlauben, Ebereschenblut zu vergießen«, flüsterte er in einem Ton, der eigentlich für Schlafzimmer und Kerzenlicht gemacht war. Das war die Natur des Hofs der Finsternis – Gewalt und Sex, Angst und Lust, Wut und Leidenschaft. Er streichelte ihre Wange und
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