Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
einzige Ausnahme bildete eine Elfe, deren Körper aus dem Nachthimmel herausgeschnitten zu sein schien. Sie kam jeden Tag vorbei, um ihm ihre Atelier-Materialien anzubieten für den Fall, dass ihm etwas ausging.
»Du könntest in mein Atelier kommen. Du könntest etwas erschaffen«, sagte sie.
»Das ist sehr nett«, sagte er dann, oder: »Ich weiß das Angebot zu schätzen«, immer darauf bedacht, jede Form von »Dankeschön« zu umgehen. Er kannte ihre Regeln gut genug, um nichtssagende Floskeln zu vermeiden.
»Lass uns nicht über die Türschwelle hinweg reden«, wiederholte sie jeden Tag. Und dann ging sie, ohne noch einmal innezuhalten, davon. Das Wissen, dass sie eine Künstlerin war, ließ sie beinahe tröstlich wirken, beinahe vertraut – wenn man von dem Flackern fernen Sternenlichts absah, das sie beim Gehen ausstrahlte. Sie warf weiße Schatten an die Wände. Das ergab zwar keinen Sinn, war nicht logisch, aber Seth hatte es aufgegeben, von Elfen zu erwarten, dass sie sich an die Gesetze der Logik oder Physik hielten, die bei den Sterblichen galten.
Heute entschloss er sich, ihr nach ihrem täglichen Wortwechsel zu folgen, doch er war erst ein paar Schritte gegangen, als er auf Devlin stieß. Der emotionslose Elf hatte sich seit der Nacht, in der er Seth gewürgt hatte, nicht mehr blickenlassen. Jetzt versperrte er mit seinem Körper den Flur. »Olivia geht an einen Ort, wo du nicht hinkannst.«
Seth sah, wie die in Sternenlicht gehüllte Elfe um eine Ecke bog und aus seinem Blickfeld verschwand. »Willst du mich wieder strangulieren?«
Devlin lächelte nicht. Seine Haltung und seine Bewegungen verrieten einen strengen militärischen Drill; er stand stets kerzengerade und jeder seiner Muskeln war angespannt. »Wenn meine Königin es verlangt oder wenn es im Interesse meines Hofs ist oder –«
»Steht ›Wenn du Olivia nachgehst‹ auch auf dieser Liste?«
»Wenn du Olivia in den Himmel folgst, wirst du entweder erfrieren oder ersticken. Beides wäre nicht angenehm.« Devlin behielt seine stocksteife militärische Haltung bei. »Sterbliche sind nicht dafür gemacht, über den Himmel zu wandern.«
Über den Himmel wandern? Ersticken? Erfrieren?
Seth starrte in den Flur, aus dem Olivia schon lange verschwunden war. »Geht sie buchstäblich ›über den Himmel‹?«
»Sie arbeitet mit einem anderen Material als du. Das ist eine seltene Fähigkeit, die von ihrer gemischten Herkunft herrührt.« Devlin entspannte sich kurzzeitig; aus seiner Miene sprach Ehrfurcht. »Sie webt das Sternenlicht. Gobelins aus glühenden Fäden, die so kurzlebig sind, dass sie jeden Tag wieder zerfließen. Der Himmel ist kein Ort für zerbrechliche Sterbliche. Eure Körper brauchen Luft und Wärme. Was es dort beides nicht gibt.«
»Oh.«
»Sie würde gerne ein Porträt von dir weben. Aber das hätte eine Folge, die die meisten Sterblichen gar nicht mögen.«
»Es würde mich töten«, folgerte Seth.
»Ja, mit Hilfe des Atems eines Sterblichen halten ihre Porträts manchmal länger. Atem für Kunst. Balance.« Devlin sprach mit einem Eifer, den Seth wiedererkannte: Es war zwar Verrücktheit, manische Begeisterung, aber für die Kunst.
Irgendwie fühlte Seth sich angesichts dieses überraschenden Anzeichens von Leidenschaft etwas besser.
»Sorcha will, dass du ihr deine Aufwartung machst«, sagte Devlin.
Seth zog eine Braue hoch. »Meine Aufwartung?«
Der schweigsame Elf hielt inne. Er starrte auf die Stelle, wo Olivia vor einiger Zeit verschwunden war. »Vielleicht bist du sogar besser dran, wenn du Olivia folgst. Meine Königin muss – wie deine Königin und wie Niall – immer zuerst das Wohlergehen ihres Hofs im Auge haben. Du bist eine Anomalie und daher in einer ziemlich heiklen Situation.«
Seth warf einen Blick auf Boomer, um sich zu vergewissern, dass die Boa in ihrem riesigen Terrarium lag, dann schloss er die Tür zu seinem Zimmer. »Ich bin seit Monaten in einer heiklen Situation. Ich bin hier, um das zu ändern.«
»Mit Elfen zu handeln ist nie ein kluger Plan«, erwiderte Devlin.
»Kunst ist nicht das Einzige, wofür es sich zu brennen lohnt.«
»Ich hörte so was.« Devlin stockte und maß Seth unverhohlen mit Blicken. »Niall hängt an dir. Also hoffe ich, dass du so klug bist, wie du zu sein glaubst, Seth Morgan. Meine Schwestern sind weder nett noch rücksichtsvoll.«
»Ich habe nicht den Wunsch, mich mit ihnen zu streiten.«
»Ich rede nicht von Streit. Wenn sie auf einen Sterblichen
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