Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
dass sie respektvoll klang. Rabbit hatte sie die Bedeutung der richtigen Wortwahl, des angemessenen Tons und der entsprechenden Gesten ebenso gelehrt wie die geschickteste Art, mit Verrückten und Gefährlichen zu sprechen. Und Bananach war beides. Verrückt und gefährlich.
Sie kicherte und legte wieder den Kopf schief. »Ich benötige deine Stärke und dein Blut, kleiner Hund.«
»Und bin ich danach noch am Leben?«
»Vielleicht.« Bananach kauerte sich vor sie und blickte zu ihr auf. »Das kann ich noch nicht genau erkennen.«
»Oh.« Ani sah sich nach einem Ausgang um. Zu kämpfen kam nicht in Frage, nicht gegen Bananach. Aber sie konnte weglaufen – nicht so fix wie die schnellsten Hundselfen, aber schneller als die meisten anderen Elfen.
Auch schneller als sie?
Bananach tätschelte Anis Arm, als wäre sie ein streunender Hund. »Da ist was sehr Besonderes in dir, und das brauche ich. Ich biete dir die Möglichkeit, weiter zu atmen, während ich es mir nehme.«
»Ich …«
»Zuerst wirst du Seth töten … und Niall. Vielleicht Niall als Erstes. Du bist nicht durch einen Treueschwur gebunden wie ich. Sie werden keinen Verdacht gegen dich hegen.« Bananach streichelte Anis Gesicht. »Tu das. Und dann kommst du zu mir und gibst mir dein Blut.«
Ani erschauderte. Der letzte Rest von Sterblichkeit, den sie noch in sich trug, begrenzte nicht nur ihre Stärke. Auch wenn sie sich noch so viel Mühe gab, bedeutete er auch, dass sie weniger grausam war als ihr Hof. Es fühlte sich falsch an, über die Ermordung von Leuten nachzudenken, die sie kannte. Sie schluckte ihre Angst hinunter und fragte: »Sonst?«
Bananach krächzte triumphierend. »Kein ›sonst‹. Es gibt keine Alternativen, mein Kind. Mir nicht zu gehorchen, wäre sehr … dumm. Ich komme dich holen.«
Die Gedanken in Anis Kopf, die Gefahr, in der alle ihre Liebsten schwebten, sollte Bananach Ani verfolgen – das alles war mehr, als sie verarbeiten konnte.
»Du bist für das hier geboren. Wenn er dich getötet hätte, wäre es anders. Aber er hat es nicht getan, nicht wahr?« Bananach richtete sich auf und trat einen Schritt zurück. »Er will, dass ich gewinne. Das ist Grund, warum er dich leben ließ. Für mich.«
»Wenn wer mich getötet hätte?«
»Ich bin fertig mit meiner kleinen Ansprache. Geh und tu, was ich dir befohlen habe, oder ich werde sehr ungehalten.« Bananach wandte sich ab und ließ Ani zwischen den Schmiedeöfen und Computern zurück. Die Rabenelfe sah sie nicht mal mehr an, also rannte Ani los. In der Erwartung, dass sie festgehalten würde, durchquerte sie den Raum in einer nie zuvor erreichten Geschwindigkeit. In diesem Moment war sie mit jeder Faser ihres Körpers die Tochter der Hundselfen, mit jedem Atemzug selbst ein Hund.
Weder verlangsamte Sterblichkeit ihr Tempo, noch hielt sie jemand auf.
Dreizehn
Devlin stand am Eingang der Gasse, während die Hundselfe Reißaus nahm. Von ihrem Blut geleitet war er ihr bis zu Irials und Nialls Haus gefolgt, dann zum Verschlag der Kriegselfe. Was hast du da gemacht, Ani? Er wollte sich an ihre Fersen heften. Es war nicht logisch, dass sie wichtig sein sollte. Wenn sie tot wäre, wäre sie es auch nicht . Als er vor dem Haus des Königs der Finsternis wartete, hatte er über ihren Tod nachgedacht, und während er vor Bananachs Nest stand, über die panische Angst, die er empfand.
Dann war Ani verschwunden.
»Sie ist unberechenbar«, flüsterte Bananach ihm ins Ohr. Ihre schwarzen Federn streiften ihn, als sie ihn umarmte.
Devlin trat einen Schritt zurück.
Sie strich um ihn herum und stieß ihm ihre Krallen in die Seiten. »Von Haut umhülltes Chaos. Zu viel für dich, mein lieber Bruder.«
Er packte ihr Handgelenk und drückte so fest zu, dass ihre zarten Vogelknochen brachen, fügte ihr den Schmerz zu, den sie genoss. »Musst du unbedingt versuchen, mich zu provozieren?«
Bananachs Lachen war ein Krächzen, in das eine Schar von Raben auf dem Dach über ihnen einstimmte. Sie schüttelte fröhlich ihr Handgelenk. »Leiste mir Gesellschaft beim Abendessen, Bruder. Ich bin einsam.«
»Was hast du mir ihr zu schaffen?«
Diesmal gab Bananach nicht vor, verwirrt zu sein. »Sie wird mich befreien. Ihr Blut ist das Geheimnis, das sie vor uns verbergen wollten.«
»Und was ist an ihrem Blut so wich…«
»Na, na, na.« Bananach legte ihre Hand auf seinen Mund. »Keine Fragen. Sie ist was Besonderes und ich brauche sie.«
Devlin schob ihre Hand weg.
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