Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
informieren, würde man uns verfolgen.«
Irial legte die Verkleidung des liederlichen Faulenzers ab. Sein Lächeln erinnerte an die gebleckten Zähne eines Tieres. »Glaubst du, ich habe sie versteckt, nur damit du sie ins Elfenreich mitnimmst?«
»Sie wird nicht ins Elfenreich geholt. Es ist besser, sie nicht dort hinzubringen … Wegen meiner Verstrickung in Anis Leben kann Sorcha sie nicht sehen .« Devlins Stimme war ruhig und beherrscht.
Irial schwieg.
»Jetzt, wo Ani an deinen Hof gekommen ist, ist sie nicht mehr sicher. Bananach hat auch Interesse an ihr«, fügte Devlin hinzu.
»Und warum interessiert sich die Blutige Hand der Lichtkönigin für die Sicherheit einer Hundselfe?« Irial schwenkte sein Glas. »Das ist ein Rätsel. Findest du nicht?«
»Spielt das wirklich eine Rolle?«, fragte Devlin.
»Vielleicht. Ich vermute, für Bananach tut es das. Für Sorcha ebenfalls. Und für mich täte es das auch, wenn die, denen ich vertraue, solche Geheimnisse vor mir hätten. Oder willst du behaupten, dass es für sie keine Bedeutung hat?! Besonders für deine Königin ?«
Irials Worte waren für Devlin nichts Neues. Alle Elfen kannten die große Bedeutung von Treue. Wenn sie einmal einem König oder einer Königin Treue geschworen hatten, hatte der Gehorsam absolut zu sein. Devlin handelte gegen den Befehl seiner Königin – nicht nur hatte er Ani leben gelassen, sondern arbeitete jetzt daran, ihr Leben zu schützen, statt für Seths Sicherheit zu sorgen. Nur wenige Elfen würden es für möglich halten, dass er seiner Königin mal nicht gehorchte – außer natürlich der Königin selbst.
Wusste sie nicht schon immer, dass der Tag kommen würde?
Die Zeit verging ohne Wort oder Geräusch. Fast wie am Hof des Lichts, wo Stille und Versunkenheit vorherrschten.
Schließlich sagte Irial: »Wenn Ani freiwillig mit dir geht, werde ich Gabriel und Niall davon abhalten, dich zu verfolgen. Wenn sie sich weigert, werden wir sie hier beschützen. Aber sie trifft die Entscheidung. Gib mir dein Wort.«
Devlin stand auf. »Du hast mein Wort darauf, dass sie selbst entscheidet.«
Irial sah stirnrunzelnd zu ihm auf. »Pass gut auf sie auf.«
»Sie wird sicherer als hier an deinem Hof sein.« Devlin wandte sich zum Gehen.
»Devlin?«
Devlin hielt, die Hand an der Tür, inne.
»Und gib auch im Umgang mit ihr Acht. Ani ist nicht wie andere Elfen.« Irials Blick war mitleidig.
»Ich bin die Blutige Hand der Lichtkönigin.« Devlin straffte die Schultern und zeigte gerade so viel von seinen Emotionen, um dem Dunkelelf zu verstehen zu geben, dass Mitleid unangebracht war. »In der ganzen Ewigkeit hat keine Elfe, die je geboren wurde, mich besiegt.«
»Aaah. Hochmut kommt vor dem Fall, mein Freund.« Irial stand auf und ergriff Devlins Hand. »Aber du bist bereits gefallen, oder?«
Darauf hatte Devlin keine Antwort.
Vierzehn
Es war endlich dunkel geworden im Elfenreich. Also nutzte Rae die Gelegenheit, die Höhle für eine Weile zu verlassen. Die Welt um sie herum wirkte weniger blühend als gewöhnlich, doch Rae hatte sich schon lange an die sich stets verändernde Landschaft gewöhnt. Die Stimmungslagen der Königin des Lichts bestimmten die Wirklichkeit, und an manchen Tagen entschied sie, ihr ein neues Aussehen zu verleihen.
Rae schwebte über einen Bach, der zuvor ein breiter Fluss gewesen war. Auf der anderen Uferseite standen Weidenbäume grüppchenweise beieinander, als wären sie in ein Gespräch vertieft. Dünne Äste wiegten sich in einer leichten Brise. Auf der Erde lag eine hübsche Elfe, der Rae weder in Träumen noch in Devlins Körper je begegnet war; ihre Füße baumelten über der Uferkante. Die Elfe schlief auf dem vom Matsch glitschigen Boden. Ihre Wange ruhte auf einem Fleckchen Moos, als hätte die Natur extra für sie ein Kissen gebildet. Lehmbröckchen, Zweige und Schilfrohr hatten sich in ihrer feuerroten Haarmähne verfangen. Anders als die Mehrzahl der Elfen am Hof des Lichts sah diese so aus, als gehörte sie woandershin, als wäre sie einem präraffaelitischen Gemälde mit sinnlichen Frauen entstiegen.
Rae trat in die Traumwelt der Elfe ein.
»Ich kenne dich nicht«, sagte die Elfe. In ihrem Traum saß sie am Ufer eines wesentlich größeren Flusses. Am Ende eines üppigen Parks, der sich weit in die Ferne erstreckte, blühte Flieder.
Rae holte tief Luft. In Träumen arbeiteten ihre Sinne wie im wirklichen Leben. Der sämige Duft der Blumen lag so schwer auf ihrer Zunge, dass
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