Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
spürte, wie sein innerer Schutzwall hochfuhr, und hätte nicht seine Hand auf ihren Händen gelegen, hätte sie sich gefragt, ob sie allein im Wagen war.
Er hat Angst vor dir, argwöhnte ihr Ross.
Ani wollte nicht darüber reden. Stattdessen dachte sie: Was hältst du denn von Barry als Namen für dich?
Stille.
Das ist eine Kurzform für Barracuda und kann männlich oder weiblich sein . Sie wechselte die Spur und beschleunigte.
Gefällt mir. Das Ross brummte fröhlich. Ist gekauft . Ich bin Barry.
Sie lächelte still in sich hinein. Das Problem wäre schon mal gelöst. Aber es sind noch ein paar übrig …
Bedauerlicherweise verbrachten sie den restlichen Tag schweigend miteinander. Schließlich flüsterte Barry: Schlaf, Ani. Ich übernehme .
Die nächsten vier Tage und Nächte vergingen auf ähnliche Weise – kurze Stopps zum Essen, stundenlanges Schweigen und unruhiger Schlaf, während Barry sie weiter und weiter von allen wegtrug, die sie kannte. Sie durchquerten die Staaten und fuhren gen Westen. Dort gab es weitläufige Naturparks, in denen man zelten und herumlaufen durfte. Sie fuhren durch so viele Städte und mit Stahl vollgestopfte Ortschaften, wie sie konnten, verlangsamten ihr Tempo nur, wenn der Verkehr der Sterblichen sie dazu zwang, verbargen sich so gut wie möglich vor Elfen. Hätte da nicht diese Bedrohung in ihrem Rücken gelauert, wäre es der Beginn einer wunderbaren Reise gewesen. Und es könnte immer noch so sein, wenn er mich nicht ausschließen würde . Sie hatte Devlin bei ihrem ersten Zusammentreffen unglaublich verführerisch gefunden. Und nachdem sie Seite an Seite mit ihm gekämpft hatte, war ihre Meinung von ihm noch gestiegen. Wegen seiner Offenbarungen in diesem Waldstück hatte sie ihn tief ins Herz geschlossen, und die Leidenschaft, die er verbarg – während des Kampfes und ihres Laufs durch den Wald jedoch offenbart hatte –, machte ihn in ihren Augen noch begehrenswerter.
Doch Devlin verbarrikadierte sich auf der gesamten Fahrt hinter einer Wand. Er sprach immer weniger, und wenn er doch einmal etwas sagte, klang es höflich, aber distanziert. Die Stille und Distanz auf so engem Raum waren zum Verrücktwerden. Nach ihrem kurzen, aber offenen Gespräch hatte sie gehofft, dass zwischen ihnen etwas passieren würde, doch sein Verhalten sagte etwas anderes.
Spät am – wie Ani schätzte – sechsten Tag ihrer Reise hielt sie auf dem Parkplatz eines Motels. Das Gebäude war von einem massiven Stahlzaun umgeben, die Balkone vor allen Zimmern hatten stählerne Geländer und die Fenster waren vergittert. Angesichts der Abneigung von Elfen gegen Eisen und Stahl war dies der ideale Platz zum Ausruhen für sie. Solange das Gebäude nicht in Flammen aufging, waren sie dort vor Elfen wie Sterblichen sicher.
»Ich bleibe bei Barry, während du uns ein Zimmer besorgst.« Ani berührte Devlin kurz an der Hand und zog ihn so aus seiner inneren Versenkung.
Er sah sie verwirrt an. »Was bitte?«
Sie zeigte auf die summenden Neonlichter, die das Wort ZIMMER FREI bildeten, und fragte sich, ob er wohl schon jemals in einem Motel übernachtet hatte. Irgendwie bezweifelte sie, dass die Dinge im Elfenreich so aussahen wie hier. »Ein Zimmer. Hast du Geld oder eine Kreditkarte?«
»Ja, aber …« Devlin zog die Augenbrauen zusammen. »Barry?«
»Mein Ross«. Sie fuhr mit der Hand über das Armaturenbrett. »Ich habe es getauft.«
»Ich hätte auch einen Namen dafür gewusst«, grummelte Devlin.
Er ist immer noch sauer, weil ich die Sitze angepasst habe . Barry war offensichtlich amüsiert. Seine Knie … sein Kopf … und vielleicht auch die Arme sind inzwischen wund gescheuert, nehme ich an .
Ani antwortete klugerweise keinem von beiden. Sie sagte nur: »Ich warte hier. Direkt vor der Tür, im Inneren von Barry, die ganze Zeit.«
Unterstützend öffnete Barry Devlins Tür.
»Warum halten wir an? Es kann doch …« Sein Sitz klappte nach hinten. »Barry kann doch fahren, während du schläfst.«
»Ich möchte duschen. Und ich will ein Kissen und ein Bett«, sagte Ani energisch. »Bitte, ja? Ein Zimmer für eine Nacht.«
»Ich nehme an, es ist ohnehin egal.« Er klang genauso erschöpft, wie sie sich fühlte, und Ani wurde klar, dass er einem Plan noch nicht nähergekommen war als bei ihrer Abreise – abgesehen von der Devise »immer in Bewegung bleiben«.
Wir könnten diese Rabentante doch einfach umbringen, schlug Barry vor.
Insgeheim stimmte Ani zu, aber sie
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