Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
In der Hoffnung, dass seine Gefühle dabei verborgen blieben, sagte Gabriel zu Niall: »Meine Hunde sind hier. Ich habe auch noch andere herbeigerufen, denen ich vertraue, Niall. Wir haben ungebundene Elfen angeheuert, deren Loyalität käuflich ist.«
»Gut.« Niall schaute Gabriel gar nicht an; seine Aufmerksamkeit lag noch immer ganz bei Irial. »Das ist gut.«
»Ich kann noch mehr Hilfe organisieren.« Gabriel trat neben den König, dem er seit Jahrhunderten diente, und den trauernden König, den er unter Einsatz seines eigenen Lebens zu beschützen geschworen hatte. »Ich kann Hilfe holen.«
Niall blickte ihn an. »Hilfe? Heiler?«
Gabriel wägte seine Worte sorgfältig ab; als Anführer der Meute war er es nicht gewohnt, die Wahrheit verdrehen zu müssen. Die Elfe, die er aufsuchen wollte, war keine Heilerin, sondern eine Regentin, die seinem König hoffentlich helfen konnte. Gabriel schaute Niall an und sagte: »Ich glaube, ich kann Hilfe für meinen König bekommen.«
Niall nickte. »Ja. Die anderen Heiler haben sich geirrt. Sie müssen sich geirrt haben.« Der König der Finsternis zeigte in eine Zimmerecke, wo ein Elf reglos hingestreckt lag. »Der da hat behauptet, Irial wäre nicht mehr zu retten.«
»Chela wird für deine Sicherheit sorgen, während ich weg bin«, versicherte Gabriel ihm, doch der König hatte sich schon wieder abgewandt.
Gabriel hob schweigend den toten Heiler vom Boden auf, erteilte seiner Stellvertreterin noch ein paar Anweisungen und machte sich dann auf den Weg zur Winterkönigin.
Elf
»Wo zur Hölle ist Keenan?«, klagte Ashlyn. »Ich bin nicht auf einen Krieg vorbereitet. Und ich bin auch nicht bereit für einen vor Trauer verrückten König der Finsternis … Ich weiß nicht, wie ich das alles allein …«
Ein Klopfen an der Tür zum Arbeitszimmer unterbrach sie und kaum eine Sekunde später hatte Tavish sich schützend vor sie geschoben. Selbst hier im Loft stellte er sich immer zwischen sie und die Tür. An seiner Seite hing ein Schwert und sie wusste, dass er am Fußgelenk eine weitere Waffe trug, ein hauchdünnes Messer mit Stahlklinge. Die bloße Tatsache, dass er kalten Stahl auf der Haut ertrug, zeugte davon, wie stark – und alt – er war.
Die Tür ging auf und Seth trat ein. »Ash?«
Ihr erster Impuls war, zu ihm hinzulaufen, sich in seine Arme zu werfen und ihn an sich zu drücken, aber das entsprach nicht ihrem Verhältnis – nicht mehr und vielleicht auch nie wieder. Sie strich mit den Händen über ihren Rock und lächelte ihn an. »Seth.«
»Ich werde dir Antworten besorgen, meine Königin«, sagte Tavish. »Gib du dich ganz der Fröhlichkeit hin, wenn nicht für dich, dann für deinen Hof.« Er sah sie vielsagend an und wandte sich dann Seth zu: »Ich bin froh, dass du nicht im Kampf gegen Bananach getötet wurdest.«
Seth zog eine Augenbraue hoch. »Ich auch.«
»Gewiss.« Tavish nickte und ging.
Als die Tür zum Arbeitszimmer wieder geschlossen war, schaute Ash Seth einen Moment lang einfach nur an. Er sah müde aus. Er hatte dunkle Ringe um die Augen, und seine Schultern hingen schlaff herab. Seine linke Wange war verfärbt und er hatte eine Schnittwunde in der Unterlippe. Weitere sichtbare Zeichen des Kampfes gab es nicht, aber sie konnte ja auch nicht durch sein Hemd oder seine Jeans schauen. Das Hemd bestätigte allerdings das Gerücht, dass er im Elfenreich gewesen war. Statt eines seiner üblichen T-Shirts trug er ein Seidenhemd, das so perfekt saß, als wäre es ihm auf den Leib geschneidert worden.
Und wahrscheinlich war es das auch.
»Ich … ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber ich wäre nicht verschwunden, ohne dir Bescheid zu sagen, wenn ich eine Wahl gehabt hätte«, sagte er. »Es hat einen Kampf mit Bananach und ihren Söldnerelfen gegeben.«
»Ich weiß. Tavish hat es mir erzählt … und auch das mit Tish.« Sie konnte ihre Augen nicht von Seth losreißen. »Geht es dir gut?«
»Im Großen und Ganzen ja. Ich habe einige kleinere Blessuren, aber …«, er zuckte mit den Schultern und in seinen Augen blitzte Stolz auf, »… nach dem Training mit Gabriels Hunden habe ich mich ganz gut behauptet.«
Der Gedanke daran, dass Seth gegen die Kriegselfe und ihre Anhänger gekämpft hatte, ließ Ashlyns Angst vor Zurückweisung, vor dem, was kommen könnte, schwinden. Wenn nicht für mich, dann für meinen Hof, sagte sie sich. Glück ist eine Frage der Entscheidung. Sie wollte sich für Seth entscheiden; wenn es so
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