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Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Titel: Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson , Karl-Ludwig Wetzig
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grinste und lehnte sich über die Ladentheke. Benedikt heißt er übrigens. Die beiden guckten ihn wortlos an. Ach, einer von diesen schweigsamen Tagen, grinste Benedikt aufgekratzt. Gut, gut, ganz, wie ihr wollt, aber ich brauche sechs Säcke Kraftfutter. Ich habe den Wagen schon rückwärts ans Hallentor gesetzt. Sechs Säcke, wenn euch das nicht zu viel ist, oder muss ich euch erst Beine machen?
    Die beiden betrachteten Benedikt, als müssten sie ihn erst einschätzen, warfen sich dann einen Blick zu, und Kjartan nickte, stand langsam und fast wie widerwillig auf und bequemte sich an die Theke, wo er den schweren linken Arm hob und zum Hallentor zeigte. Benedikt folgte seinem ausgestreckten Arm mit den Augen.
    Ich weiß nicht, wie ich’s sagen soll, begann Kjartan langsam und so leise, dass sich Benedikt unwillkürlich vorbeugte, aber hier geht es nicht mit rechten Dingen zu. Siehst du das Dunkel da drinnen …
    Ja, ihr solltet mal das Licht anmachen, bemerkte Benedikt.
    Kjartan sah ihn beklommen an. Wenn es mal so einfach wäre, sagte er. Ich versuche längst, Simmi zu erreichen, aber du kennst ihn ja. Jedenfalls ist der verfluchte Strom ausgefallen, und mit dem Gabelstapler kommen wir auch nicht weiter, er springt ums Verrecken nicht an, und … komm doch einfach mit mir, wo du schon hier bist, und schau’s dir selbst an. Benedikt blickte von einem zum anderen, Kjartan guckte aus der Wäsche wie ein Schaf, Davið wippte mit halb geschlossenen Augen auf seinem Stuhl, dann sah Benedikt zum Hallentor hinüber. Ihr macht mir Spaß, sagte er und gähnte.
    * * *
    Benedikt gähnte, ein alleinstehender, über dreißigjähriger Bauer. Seine Frau hatte ihn vor drei Jahren verlassen, ein Mädchen aus Akranes, Loa hieß sie und hielt die Ereignislosigkeit des Landlebens nicht aus. Herrgottnochmal, sagte sie, ein Telefonanruf ist schon was Besonderes, und ein Auto von außerhalb ein solches Wunder, dass alle mit Ferngläsern ans Fenster stürzen, ich halt das nicht aus. Es war nicht einmal übertrieben von ihr, aber so einfach lagen die Dinge nun auch wieder nicht, wann ist das Leben schon einfach, manchmal konnte sie Benedikt stundenlang zusehen, sie liebte seine langen Schritte, fand kaum etwas schöner als seine schmale Brust, aber manchmal kam ihr sein Gang auch ungelenk vor und er selbst ihr viel zu mager, es lag sich hart auf seiner Brust, unter der man das Herz deutlich klopfen hörte, und doch fand man keinen Zugang dazu. Er mochte nur selten einmal ausgehen, saß manchmal abendelang auf dem Sofa und ließ niemanden an sich heran außer dem Hund, dabei sah er sie so distanziert an, als wäre er ganz weit weg, auf einem anderen Planeten. An einem frühen Oktobertag fuhr Benedikt sie zurück nach Akranes, vier Taschen im Kofferraum, den Hänger hinter dem Wagen voller Kram, der sich im Leben so ansammelt. Zum Abschied umarmte Loa ihren Exmann, pass gut auf dich auf, sagte sie forsch, hatte aber Mühe, das Weinen zu unterdrücken, als er wieder ins Auto stieg, so allein, so verlassen, und sichtlich war in den dunklen Augen etwas erloschen, dann hob er den Arm, lächelte oder versuchte, zu lächeln, und fuhr davon. Das war vor drei Jahren, und seitdem schickt sie ihm noch immer im Herbst ein paar Wollsocken, eine Karte zu Weihnachten und einmal im Frühjahr ein weißes T-Shirt von BOSS. Ab und zu ruft Benedikt sie an. Du solltest eine nette Frau kennenlernen, sagt Loa dann vielleicht zu ihm. Das glaube ich kaum, gibt er dann zurück, nicht, um sich bedauern zu lassen, in der Hinsicht tut sich nur einfach überhaupt nichts, das Schicksal scheint es ihm bestimmt zu haben, allein zu wohnen. Benedikt geht selten zu einem Fest, ließ sich aber immerhin auf den letzten Silvesterball locken, auf dem die Guten Söhne spielten, und als die Nacht schon fortgeschritten war, zog ihn Þuríður, die im Gesundheitszentrum arbeitet, aufs Parkett, sie tanzten eine halbe Stunde, er trat ihr mehrmals auf die Zehen, und dann küsste sie ihn, wobei sie ihn im Nacken hielt, wahrscheinlich damit er nicht in seiner Zurückhaltung und Bescheidenheit zurückwich. Dann verließen sie die Tanzfläche und gingen zur Tür in der Vorhalle, standen dort eine ganze Weile einander zugekehrt; die Musik dröhnte, die Tanzfläche war eine wogende Masse, und neben dem großen Blumenkübel ratzte ein Betrunkener, keine Chance, miteinander zu reden, ohne sich ganz nahe zu kommen, und das tat Jmriöur, sie rückte näher, ihre Lippen berührten sein linkes

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