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Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Titel: Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson , Karl-Ludwig Wetzig
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und kulturell. Ich war echt froh, dass Jenni nicht mit reingekommen ist, der hält Geigenspiel nicht aus und sagt immer, das wäre so Scheiß Snob-Zeug, aber mir gefällt eigentlich alle Musik.
    Sie verstummte und atmete heftig.
    Habe ich da noch am Fenster gesessen?
    Ja.
    Und war ich … was soll ich sagen … noch bei klarem Bewusstsein?
    Ich glaub schon. Du hast bloß getrunken, aber ich habe dich nicht sonderlich beachtet, sagte sie entschuldigend, fast ein wenig schüchtern. Ich trinke bloß so selten Rotwein, aber Elisabet schenkte mir wieder ein, und ich habe mich so rundum wohlgefühlt, das war so schön, da zu sitzen und mich umzugucken und …
    Sie hielt den Atem an, und er bekam den Eindruck, sie würde mehr oder weniger auf seine Erlaubnis warten, oder auf sein Einverständnis, dass sie weitererzählte.
    Ja, der Rotwein, sagte er daraufhin, und sie holte Luft und fuhr fort: Es waren so viele Leute da. Der Arzt mit seiner komischen Fliege und Elisabets Mann in diesen komischen Klamotten, sie saßen zusammen und redeten manchmal so laut miteinander, dass ich die Geige gar nicht richtig hören konnte, aber trotzdem habe ich ihnen gern zugehört, sie sprachen …
    Wann bin ich ins Bild gekommen?, unterbrach Aki, bereute es aber sogleich, denn sie verstummte, und lange war außer dem Wind und dem Radio nichts zu hören, bis sie endlich leise flüsterte: Ich rede zu viel, Jenni schimpft mich oft deswegen aus.
    Entschuldige, sagte er mit dieser unbekannten heiseren und rauen Stimme, es gehört sich nicht, jemanden zu unterbrechen.
    Da lächelte sie, er sah es von der Seite, sie leuchtete richtig auf, und er versuchte sich unwillkürlich etwas zu ihr hin zu drehen, um sie besser sehen zu können, dabei knarrte das Bett, und das Radio brach ab. Was mache ich hier eigentlich, dachte er und drehte sich nicht weiter, sondern blieb halb auf dem Rücken, halb auf der Seite liegen, und das Bett war auch so schmal, dass man sich eigentlich kaum bewegen konnte. Dennoch sah er sie nun besser, sie lag völlig steif, beide Hände in die Decke gekrallt und die Ellbogen eng an die Seiten gepresst. Er sah bloß ihr Gesicht, den Hals und den Ansatz der Brust, er guckte, und sie versuchte, die Decke noch höher zu ziehen, wobei sofort wieder dieser Gestank aufstieg. Er ließ ihn vorüberwabern und tat so, als sei nichts, zu etwas anderem war er auch gar nicht in der Lage. Nun sah auch sie ihn an, mit grauen, vorsichtigen, ein wenig ängstlichen Augen unter dem farblosen kurzen Haar, das selten einmal so gekämmt zu werden schien, dass man einen Unterschied sah, ihre Haut wies große Poren auf, und im Gesicht saß diese klobige Nase, dazu diese dicken, fleischigen Lippen, der Mund selbst sprang gar nicht vor, es kam bloß von diesen Lippen. Außerdem trug sie noch verblasste Schminke um die Augen und auf den Wangen, die sie auch nicht sonderlich vorteilhaft aussehen ließ.
    Entschuldige, sagte er noch einmal, wenn ich dich noch mal unterbreche, aber ich wüsste gern, wie ich hierhergekommen bin.
    Sie schlug den Blick nieder, und er sah bloß noch die geschlossenen Augenlider.
    Elisabet hat gesagt, du solltest mit Jenni und mir fahren.
    Und was habe ich dazu gesagt?
    Ich weiß nicht, du hast bloß Englisch geredet, und das verstehe ich kaum.
    Und dann?
    Ich fand, es war eine nette Idee, dich mitzunehmen, Jenni wollte es nicht, aber Elisabet und ich hörten nicht auf ihn.
    Und dann?
    Jenni musste dich rauftragen, und ich habe derweil den Wagen sauber gemacht.
    Den Wagen sauber gemacht?
    Du hattest gebrochen.
    Oh.
    Macht nichts.
    Wollte ich hier im Bett schlafen?
    Sie wurde rot, warf ihm einen Blick zu, dann flackerten ihre Blicke durchs Zimmer, als suchten sie etwas zum Festhalten. Unten wurde das Radio wieder angestellt.
    Wir sind nackt, sagte Aki schließlich, obwohl das nun wirklich nicht mehr betont werden musste, und sie lief auch prompt noch mehr an, die blasse Schminke färbte sich auf den Wangen rosa, sie blickte wild umher, um ihn nur ja nicht ansehen zu müssen, zog die Bettdecke noch mehr zurecht, zerrte an ihr herum und drückte sich ganz an die Wand, der Geruch wallte wieder auf, sobald sie die Arme bewegte, heftig, schwer, auch ein wenig süß, oder er gewöhnte sich bereits daran. Unter ihren Achseln waren dunkle Haare zu sehen, noch nie hatte er Haare in den Achselhöhlen einer Frau gesehen. Da lagen sie beide, er blickte sie an, ihre grauen Augen standen nicht einen Moment still, die Decke hielt sie so fest, dass

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