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Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Titel: Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson , Karl-Ludwig Wetzig
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guckte starr an die Decke, doch jetzt hob sie den ihm ferner liegenden rechten Arm und zeigte: Da. Im gleichen Moment überfiel Aki eine Woge ihres kräftigen, ja, strengen Körpergeruchs. Ihm drehte sich der Magen um, Schweiß brach ihm aus. Nicht kotzen, dachte er, jetzt bloß nicht kotzen müssen! Er konnte sich zusammenreißen und fragte mit geschlossenen Augen: Wie weit ist es?
    Inklusive der Stichstraße siebenundzwanzig Kilometer. Sie sprach nicht direkt undeutlich, bewegte aber die Lippen kaum oder gar nicht.
    Welche Stichstraße?
    Hierher zum Hof.
    Ist sie lang?
    Siebenhundertachtundzwanzig Meter.
    Ihn durchrieselte ein schwacher Strom. Es tat so gut, wenn Menschen ihre Umgebung in akkuraten Zahlen angeben konnten, doch da hob sie den Arm und kratzte sich am Kopf. Er schloss unwillentlich die Augen, wartete, bis der Geruch wieder nachließ, öffnete die Augen und fragte zögerlich: Was ist heute Nacht passiert, wie bin ich hierher gekommen?
    Ein langes Schweigen schloss sich an, sie atmete lediglich, und er wartete. Dann fragte sie: Woran kannst du dich erinnern?
    Er dachte nach, rekonstruierte. Tja, ich war im Tekla und habe Cognac getrunken und, ach ja, ich habe den Mond zwischen Wolken gesehen … und dann bin ich hier aufgewacht.
    Aber danach erinnerst du dich an nichts? Ich meine, nachdem du den Mond gesehen hast.
    Nein, sagte er, presste die Lippen aufeinander und dachte: Wenn sie noch einmal den Arm hebt, muss ich kotzen. Badet die denn nie?
    Nun gut, seufzte er, nachdem sie wieder eine Weile dagelegen hatten und sie die Decke angestarrt hatte; er sah es, als er den Kopf ein paar Millimeter in ihre Richtung drehte, und er sah ein grobes, breitflächiges Gesicht mit dicker Nase und vorspringendem Mund, vor allem die Lippen waren so fleischig, wulstig und dick.
    Nun gut, sag mir doch bitte, wie und weshalb ich hier gelandet bin. Damit klammerte er sich an der Bettkante fest, denn auf einmal kippte die Welt in eine grässliche Schräglage, als wolle sie ihn abschütteln, schoss ihm durch den Kopf.
    Elisabet hat gesagt, es wäre eine gute Idee, wenn du mit zu uns kommen würdest.
    Mit zu euch?
    Zu meinem Bruder und mir.
    Wohnt der auch hier?
    Ja.
    Sonst noch jemand?
    Nein.
    Jetzt wurde unten ein Radio eingeschaltet, als wollte dieser Bruder seine Existenz bestätigen, vermutlich ein bescheidener Mensch, denn das Radio wurde sofort leise gedreht.
    Ihr wart also letzten Abend auch im Tekla ?
    Nein.
    Ach.
    Wir waren davor.
    Was habt ihr da gemacht? Kamt ihr einfach daran vorbei?
    Nein, wir haben bloß geguckt, wer da war und so. Abends kann man gut reinsehen.
    Ihr habt also draußen im Auto gesessen und durch die Fenster gelugt?
    Ja.
    Lange?
    Nö, vielleicht so fünfunddreißig Minuten, als Elisabet rauskam.
    Wieder durchlief ihn dieses leise Rieseln des Wohlbehagens, diesmal weil sie sich die Zeit so genau gemerkt hatte.
    Ist Elisabet zu euch rausgegangen?
    Ja. Erst haben wir gedacht, sie will uns wegjagen. Lass den Wagen an, Jenni, hab ich gesagt.
    Jenni ist dein Bruder?
    Ja.
    Und?
    Nichts. Irgendwas stimmt nicht mit dem Toyota, er sprang nicht gleich an, erst als Elisabet schon fast am Wagen stand, und da hab ich ihm verboten, wegzufahren. Das wär blöd gewesen.
    Und dann?
    Sie hat meine Tür aufgemacht, war aber nicht böse oder so, sondern meinte bloß, wir sollten doch reinkommen. Sie wollte uns sogar ein Essen ausgeben.
    Und da seid ihr reingekommen?
    Nein, nicht gleich. Ich hab gesagt, wir könnten das nicht, in Restaurants sitzen und so, und da sagte sie:
    Aber wie’s aussieht, könnt ihr hier im Auto hocken. Klar, sagte ich. Dann könnt ihr auch drinnen an einem Tisch sitzen, meinte sie, und da hab ich gleich kapiert, dass sie recht hatte.
    Und dann seid ihr also reingegangen, konstatierte Aki, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte.
    Nein, oder doch, ich. Für Jenni kam das nicht in Frage, der geht nicht so unter Leute wie ich.
    Du bist also reingegangen, stellte Aki fest und versuchte, nur durch den Mund zu atmen, als sie erneut den Arm hob und sich die Duftwolke ausbreitete.
    Ja, und habe eine Lammkeule verputzt, obwohl ich schon zu Abend gegessen hatte und gar nicht hungrig war, aber es hat so lecker geschmeckt bei Elisabet, als hätte man noch nie im Leben richtiges Lammfleisch gegessen. Vielleicht stimmt es ja, was manche sagen.
    Was sagen manche denn?
    Dass sie eine Hexe ist und zaubern kann. Außerdem war noch der Junge aus Lagerinn da und spielte Geige, das war so richtig gemütlich

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