Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman
die Knöchel weiß hervortraten, und aus Verlegenheit fragte Aki: Wie groß ist eure Landwirtschaft hier eigentlich? Er hoffte, wieder Zahlen zu erfahren, Zahlen laufen nicht vor einem weg wie Menschen, sind nicht so hinterhältig wie Worte.
Dreihundertachtzehn Schafe, sechzehn Milchkühe und eine Färse, sagte sie, zwei zweijährige Bullen und Fischrechte im Fluss. Das kam ganz ruhig, einfach so, dabei schaute sie ihn an, ihre Stimme war dunkel, die Augen, die ihn musterten, waren grau. Er schnappte nach den Zahlen, hielt sie fest, schloss die Augen, ließ den Kopf sinken, hielt ihn nicht mehr hoch, seine Stirn sank auf etwas, das weicher war als die Welt, ihre Schulter, darunter die Achselhöhle.
Dreihundertachtzehn Schafe, sechzehn Milchkühe und eine Färse, zwei zweijährige Bullen und Fischrechte im Fluss, eine Stirn an einer Schulter, und seine Sinne füllten sich mit dem Geruch, der aus ihrer Achsel aufstieg, heftig, schwer und süß, und er dachte: Reykjavik ist die Hauptstadt Islands, und weiterhin dachte er an sein Apartment in der Altstadt dort, 92,3 Quadratmeter groß. Gemäß internationaler Norm (ISO 31-0) ist die Grenze zwischen dem ganzzahligen Teil und dem gebrochenen Teil einer Zahl mit einem Komma zu bezeichnen. 92,3 m², Ledersofa, zwei dazu passende Sessel, Glastisch, Kochherd, Fernseher mit 32-Zoll-Bildschirm, 26 Programme, niemals Sendeschluss, aber wenn er den Fernseher abschaltet, ist er allein, spiegelt nur er sich auf der Mattscheibe. Allein. Die Zahl 1, in römischen Ziffern I oder i, die kleinste der natürlichen Zahlen, ein Mensch, eine Woche, ein Tag, eins und eins, eins nach dem anderen, einmal, nicht zweimal, wenn du eins von eins subtrahierst, bleibt nichts übrig bis auf die Null, und das heißt gar nichts. Wozu lebt man, dachte er, die Stirn auf ihrer Schulter, aber es fiel ihm nichts weiter dazu ein, er blieb einfach so liegen, die Stirn auf ihrer Schulter, die Nase fast in ihrer Achselhöhle, ihr starker Körpergeruch, sie beide in diesem Bett, der Himmel weit weg, aus größerer Nähe war ein Rabe zu hören, in einiger Nähe der Wind, noch näher das Radio und ganz nah ihre Atemzüge. Ich wusste gar nicht, dass man schüchtern atmen kann, dass eine Null groß genug sein kann, um das Dasein zu verschlucken, ich wusste nicht, dass es derart heftigen Körpergeruch gibt, ich habe nie so graue Augen gesehen. Mühsam hob er den Kopf, noch höher, so hoch, bis er ihr Gesicht sehen konnte und ihre grauen Augen. Er sagte das Einzige, was ihm einfiel: Du hast graue Augen. Und dann merkte er, wie sein Glied steif wurde. Sehr langsam, fast vorsichtig, aber doch stetig, und diese grauen Augen weiteten sich. Er hatte vergessen, wie gut es sich anfühlt, wenn das Glied an einem warmen Leib hart und steif wird. Er hob die Hand, packte die Decke und schob sie sacht nach unten, erst hielt sie fest dagegen, dann nicht mehr, und die Decke rutschte nach unten, er sah kleine Brüste mit rosa Brustwarzen, die sich sofort aufrichteten, als er seine Lippen darum schloss, nur kurz, dann folgte er der Decke abwärts, die bald auf dem Boden lag. Sie hatte breite Hüften und dicke Schenkel, und sie sagte: Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen.
Wie alt bist du?
Sechsunddreißig.
Ich habe noch nie mit einer Jungfrau geschlafen, sagte er und dachte an das Jungfernhäutchen.
Es ist nicht mehr da, flüsterte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Ich habe mir manchmal Dinge reingesteckt, das Häutchen ist gerissen, als ich mit achtzehn zum ersten Mal meine Bürste benutzt habe.
Deine Bürste?
Ich habe sie immer noch, wisperte sie fast unhörbar und bewegte dann ihre Hand so vorsichtig, als wollte sie ein scheues Tier fangen, dann schloss sich die Hand um sein Glied und drückte fest zu. Er schloss die Augen.
Ich heiße Fanney, sagte sie und atmete.
Ich heiße Aki.
Ich weiß …, das Bett knarrt so leicht, Aki.
Als sie zu schreien anfing, floh Jenni aus dem Haus in den Kuhstall, ließ sich dort nieder und wartete geduldig. Eine halbe Stunde später ging er zurück ins Haus und rührte Teig für Pfannkuchen an.
Hier im Ort ist es eine feine Sache, früh aufzuwachen. Die, die nahe am Meer wohnen, sehen den ewig bewegten Meeresspiegel durchs Fenster oder können mit einem Becher Kaffee in der Hand womöglich barfuß auf die Terrasse treten und dem leicht heiseren Schnattern der Eiderente zuhören oder den unwirschen Einwänden der Möwe, bei Windstille bleibt die hellgraue Wolkendecke
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