Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman
Lebensgefährten oder Ehemann zu finden. Zweimal war sie morgens bei Arnbjörn zuhause aufgewacht, einmal er bei ihr, aber das war nichts Ernstes, lediglich eine Möglichkeit, das Warten zu überbrücken. Sie hatte mit Benedikt getanzt, küsste ihn auch einmal, auf dem Silvesterball, auf dem die Guten Söhne spielten; danach waren sie sich im Kaufladen über den Weg gelaufen und hatten ein paar Worte miteinander gewechselt, und in Kiddis Februarvorführung hatte sie sich schräg hinter ihn gesetzt. An einem wolkenverhangenen Märzabend mit Nieselregen, es ging schon auf elf Uhr zu, stand Þuríður auf einmal überraschend vor Benedikts Tür.
Es war stockdunkel, der Regen hatte die Lichter der Nachbarhöfe ausgelöscht, Benedikt und der Hund waren allein zuhaus, hatten es aufgegeben, etwas Sehenswertes im Fernsehen zu finden, keiner von beiden interessierte sich sonderlich für Bücher, im Radio kam auch nichts, was sie angesprochen hätte, aber es war auch aussichtslos, sich schon ins Bett oder auf die Couch zu legen, der Regen schien ebenso die Gnade des Schlafs verschluckt zu haben. Sie saßen im Wohnzimmer, der Hund lag vielmehr und sah zu, wie sein Herr die Hände rieb, als wollte er die Wärme des eigenen Lebens spüren. Da hörten sie ein Auto kommen. Die Scheinwerferlichter zwar im dichten Nieselregen kaum deutlich auszumachen, aber ganz sicher ein Auto, Donnerwetter, ein Auto, das auf den Hof zukommt, so spät noch, und in einem Auto sitzt gewöhnlich ein Mensch aus Fleisch und Blut, lebenswarm und mit einer Stimme ausgestattet. Der Hund sprang auf, Benedikt erhob sich langsamer und ging in die Küche, spähte aus dem Fenster. Wem gehört denn der Wagen?, fragte er halblaut, aber der Hund gab keine Antwort. Er stand schon vorne an der Haustür und wollte hinaus, um der Sache auf den Grund zu gehen, an den Reifen zu schnuppern, sie zu markieren und so weiter. Er kratzte an der Tür, um sein Herrchen darauf aufmerksam zu machen, dass es an der Zeit war, die Tür zu öffnen, aber Benedikt blieb am Fenster stehen und machte keine Anstalten, jetzt schon die Tür aufzureißen, denn wer die Haustür öffnet, signalisiert damit, dass Haus und Heim zum Hereinspazieren offenstehen. Der Mensch ist schon ein komisches Wesen, vielleicht ist er einsam und sehnt sich nach Gesellschaft, aber wenn dann jemand kommt, ist es, als würde alles ins Gegenteil umschlagen, und er will sich am liebsten verkriechen und in Ruhe gelassen werden. So ging es jedenfalls mit Benedikt. Er stand am Küchenfenster und beobachtete, wie Þuríður aufs Haus zukam. In der Hand hielt sie eine kleine braune Reisetasche! Benedikt murmelte etwas vor sich hin. Sie klopfte, der Hund schlug an.
Hoffentlich habe ich dich nicht geweckt, fragte sie strahlend, als er endlich die Tür aufmachte, wenn auch nicht weit. Benedikt schaute über ihre Schulter an ihr vorbei in die dunkle Regennacht, als hätten sie nie zusammen getanzt, als hätte sie nie ganz nah bei ihm gestanden, ihre Lippen direkt an seinem linken Ohr.
Darf ich vielleicht reinkommen?, fragte Þuríður und sah den Hund an, als würde sie den fragen, vielleicht versprach sie sich von ihm eine positivere Antwort, Hunde begrüßen im Allgemeinen Besuch, und auch der hier blickte mit frohen braunen Augen zu ihr auf und wedelte eifrig mit dem Schwanz.
Aufdringliches Weibsbild, dachte Benedikt, starrte auf die Tasche und wusste nicht, was er tun oder sagen sollte, er war über ihr Erscheinen völlig verdattert und traute sich nicht, sich darüber zu freuen, weil er sich nahezu sicher war, dass sie nur aus Mitleid kam, vielleicht gehörte sie einer Sekte an und hatte die Tasche voller erbaulicher Prospekte.
Ich wollte gerade ins Bett gehen, sagte er schließlich und zog die Tür ganz auf, der Hund schaute mit einem vor Freude dümmlichen Gesicht von einem zum anderen, ließ die Zunge aus dem Maul hängen und rannte dann auf den Hof hinaus, um die Reifen zu beschnuppern. Benedikt sah ihm wegen seiner peinlichen Offenherzigkeit verärgert nach.
Lass mich für zehn Minuten rein, dann fahre ich wieder, wenn du willst.
Benedikt: Eine Reisetasche für zehn Minuten. Da bräuchtest du ja wohl einen ganzen Umzugswagen, wenn du mal irgendwo übernachtest.
Sie hat einen recht großen Mund und volle Lippen, das kurze dunkle Haar glänzt nass von der Feuchtigkeit. Die Reisetasche lässt sie draußen stehen, zieht langsam die kniehohen Lederstiefel aus, Größe 42.
Kaum etwas tut so gut wie eine Tasse
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