Sommerliebe
Rolf gegenübersaß, seiner Frau. Überraschend war, daß er es in deutscher Sprache tat. Machte er sich über etwas lustig?
»Dieses Werk«, sagte er, »liebt Herr Adolf Hitler am meisten, Greta.«
»Wirklich?« wunderte sich seine Gattin.
»Eine Inszenierung von Herrn Fritz Fischer im Gärtnerplatztheater in München soll er sich angesehen haben zweimal einanderhinter.«
»Hintereinander«, korrigierte sie ihn und setzte hinzu: »Ingemar …«
»Ja, meine Liebe?«
»Hatten wir nicht vor, von hier noch ein paar Tage nach Heidelberg zu fahren?«
»Ja.«
»Können wir das nicht austauschen gegen München?«
»Meinetwegen.«
»Oder wäre dir Heidelberg lieber?«
»Durchaus nicht, meine Liebe. Ich hoffe nur, daß uns nicht überhaupt etwas dazwischenkommt.«
»Was sollte uns denn dazwischenkommen?«
»Krieg.«
Hier konnte nun Rolf, der sich gern schon früher in dieses schwedische Gespräch eingeschaltet hätte, nicht mehr an sich halten. Obwohl er wußte, daß man das nicht tat, sagte er: »Sie sind Ausländer, nicht?«
»Ja«, antwortete Ingemar Stensson.
»Man hört es an Ihrem Akzent. Sie kommen aus Skandinavien?«
»Aus Schweden.«
»Und Ihnen erzählt man die tollsten Sachen über Deutschland.«
»Die tollsten Sachen?«
»Daß der Führer in die ›Lustige Witwe‹ vernarrt ist …«
»Er hat sie sich zweimal angesehen, sagte ich.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Das stand bei uns in der Zeitung.«
»Soso, das stand bei Ihnen in der Zeitung. – Bei uns nicht!«
»Bei Ihnen nicht, das glaube ich.«
Im Eifer des Gefechts merkte Rolf nicht, daß sich neben ihm Heinz das Lachen verbeißen mußte.
»Wissen Sie«, fuhr er fort, »was bei Ihnen diesbezüglich in der Zeitung stehen müßte?«
»Diesbezüglich?«
»Ja.«
»Daß er in Richard Wagner vernarrt ist, nicht in Franz Lehár!«
Frau Greta Stensson meldete sich zu Wort. Mit naiver Miene sagte sie: »Verzeihen Sie, mein Herr, ich verstehe einen Ihrer Ausdrücke nicht …«
»Welchen?«
»Vernarrt.«
Betroffen schwieg Rolf. Was sollte er antworten? Daß der Führer in nichts und niemanden ›vernarrt‹ sein konnte, war absolut klar – ganz besonders Ausländern gegenüber.
»Oder weißt du, Ingemar, was das heißt?« fragte Frau Stensson ihren Mann.
»Nein, auch nicht.«
Sie ließen also Rolf zappeln, der einen Ausweg nur noch darin sah, die ganze Debatte zu beenden, indem er kurzerhand erklärte: »Und Krieg gibt's auch keinen, verlassen Sie sich darauf!«
Inzwischen hatte die Kapelle begonnen, den ersten Tanz – einen Foxtrott – zu spielen, und die Paare drehten sich auf dem Parkett. Der lange Lulatsch tat dies mit Ilse; Inges Verehrer mußte von ihr mehrmals dazu ermahnt werden, die Hand höher zu nehmen und nicht auf ihrem Po ruhen zu lassen, worüber er sich wunderte, denn ihre Einwände dagegen waren erst neueren Datums.
»Inge«, sagte er, »was ist los mit dir?«
»Edgar«, erwiderte sie, »nichts ist los mit mir, du sollst dich benehmen, so wie dein Freund Werner, sieh ihn dir an, wie der die Ilse führt – hochanständig!«
»Werner ist ein degenerierter Adeliger, Inge, und ich ein Mann aus dem Volk, voller –«
»Sei still!«
»Voller –«
»Du sollst still sein, sag ich dir, sonst lasse ich dich hier stehen und setze mich an den Nebentisch.«
»Was? Etwa zu diesem … was ist das eigentlich für ein Doktor? Einer der Philosophie? Dann bezahle ich ihm einen ordentlichen Schluck.«
»Ein Arzt.«
»Dem bezahle ich auch –«
»Hör auf!« unterbrach sie ihn. »Nicht du würdest ihm etwas bezahlen, sondern dein Vater, der Wurstfabrikant. Sei froh, daß der dir das Leben, das du führst, ermöglicht.«
»Inge«, sagte er wieder, »was ist los mit dir? Warum so giftig? In den acht Tagen, die wir uns kennen, warst du doch ganz anders. Bin ich dir nicht mehr sympathisch?«
»Doch, du bist mir sympathisch, warst es jedenfalls, aber je öfter ich erleben muß, daß du mit deinem Geld protzt, desto mehr läßt das nach.«
»Also gut, ich verspreche dir –«
Er stolperte und wäre fast hingefallen. Inge faßte ihn streng ins Auge.
»Sag mal«, fragte sie ihn, »bist du eigentlich noch ganz nüchtern?«
»Selbstverständlich.«
»Du schaust so trüb.«
»Ich wüßte nicht, wieso.«
»Was habt ihr zwei heute nachmittag gemacht?«
»Wann?«
»Während Ilse und ich beim Baden waren. Euch ist doch das Wasser auch immer zu kalt.«
»Wem auch noch?«
»Weiche mir nicht aus, was habt ihr
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