Sommermaerchen
dass er mit euch verwandt ist, als ich die Einladung zum Dinner deiner Mutter annahm. Und gestern Abend wusste ich nicht, wie ich ihr das sagen sollte.“
Lucy lächelte beruhigend, dankbar, dass Beatrice so ehrlich war. Sie hingegen kam sich wie eine Verräterin vor, weil sie verschwieg, dass sie von Beatrices früheren Begegnungen mit Charles wusste. „Denk dir nichts dabei. So wie meine Mutter und ich auf dich eingeredet haben, ist es ein Wunder, dass du überhaupt zu Wort kamst.“
Eine Stunde später ging Lucy wieder, und Beatrice fühlte sich erleichtert, dass sie ihr fast alles über ihre früheren Begegnungen mit Charles gestanden hatte.
Wieder allein, begann sie, zu schreiben. Sie hatte immer noch keinen respektablen Mann mit Verstand kennengelernt, der zugleich ihr Herz schneller schlagen ließ und als Gatte in Betracht kam. Die Begegnungen mit Charles aber lieferten ihr genug Stoff für ihren Roman. Solange sie ihre Fantasien auf Papier bannen konnte, musste sie sich keine Sorgen machen.
10. KAPITEL
Aufgeregt traf Beatrice am Samstagabend im Haus von Lady Pelham ein. Zum ersten Mal wünschte sie sich den Beistand ihrer Tante. Lady Sinclair hatte über Kopfschmerzen geklagt, jedoch darauf gedrängt, dass Beatrice trotzdem an der Dinnerparty teilnahm.
Der Butler begrüßte Beatrice, und ein Lakai nahm ihr die Pelisse ab. In der Halle begegnete sie Lucy, die eiligen Schrittes die Treppe hinunterkam. Sie hatte am oberen Treppenabsatz auf Beatrices Eintreffen gewartet, um sie in Empfang zu nehmen.
„Beatrice, ich bin froh, dass du gekommen bist!“ Lucy umarmte sie herzlich und flüsterte ihr ins Ohr: „Nach unserem gestrigen Gespräch hatte ich meine Zweifel.“
Beatrice errötete. Lucy hatte sie durchschaut; sie wusste, dass Charles sich unziemlich benommen hatte. „Ich wollte deine Mutter nicht enttäuschen.“
„Ich wäre auch sehr enttäuscht gewesen, wärst du nicht hier.“ Verschwörerisch beugte sie sich vor. „Lord Asher und Lord Heathrow haben nach dir gefragt, kaum dass sie das Haus betreten hatten.“
„Oh.“
„Sollen wir?“
Gemeinsam betraten sie den Salon, wo fast alle Gäste bereits versammelt waren.
Wie gewöhnlich war Beatrice eine der Letzten. Unwillkürlich begann sie, das Zimmer nach Charles abzusuchen. Sie wusste, er war inzwischen in sein eigenes Haus zurückgekehrt. Außerdem hatte er bei ihrem Spaziergang im Park erwähnt, er wäre vielleicht verhindert. Bis zu diesem Augenblick hatte sie sich an diese Hoffnung geklammert. Nun aber bereitete ihr die Aussicht, den Abend ohne ihn zu verbringen ... ja was? Sie wusste es nicht recht. Sie nahm ihm sein unverschämtes Benehmen immer noch übel, aber diese Wut rührte viel weniger von seinem unschicklichen Verhalten, sondern vielmehr von den Gefühlen, die seine Worte in ihr ausgelöst hatten. Charles war tabu, und diese Tatsache behielt sie besser im Hinterkopf.
Bald schon entdeckte sie ihn allein an einem der Fenster stehend. Er machte einen ausgesprochen übellaunigen Eindruck. Dennoch stockte Beatrice der Atem. Er sah so unglaublich attraktiv aus in Abendgarderobe. Der maßgeschneiderte Frackrock betonte seine breiten Schultern und schmalen Hüften. Am liebsten wäre Beatrice gleich zu ihm hinübergegangen, um den Samt unter ihren Händen zu spüren.
Natürlich stand das außer Frage. Rasch wandte sie sich ab, ehe noch jemandem auffiel, wessen Blick sie gesucht hatte.
Lucy geleitete sie zu einer kleinen Gruppe am anderen Ende des Raumes. „Ich möchte dir gerne Jack Davenport vorstellen. Er ist ausgesprochen gut aussehend und sehr charmant. Seit ich denken kann, ist er der beste Freund meines Bruders, und wäre er nicht wie ein Bruder für mich, würde ich ihm schöne Augen machen.“
Beatrice musste zugeben, dass Jack Davenport recht attraktiv war. Groß, breitschultrig und mit hellbraunem Haar, das einen Hauch zu lang war. Als er Lucy erblickte, wurde sein Blick deutlich strahlender.
„Jack! Ich habe dich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Bist du erst jetzt vom Kontinent zurückgekehrt?“
Er lächelte, und in seinen Augenwinkeln bildeten sich kleine Fältchen. „Ja, Lucy, indes ist das streng geheim.“ Sein anerkennender Blick ruhte nun auf Beatrice.
Lucy bemerkte es und lächelte. „Oh, wie unhöflich von mir. Miss Beatrice Sinclair, dies ist Mr Jack Davenport.“
„Es ist mir eine Freude, Miss Sinclair“, sagte er, verbeugte sich und gab Beatrice einen Handkuss.
Sie errötete, gleich darauf
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