Sommermond
daran, wie es ihm bei dem Sturz aus den Händen gefallen war und einer der Kerle es anschließend aufgehoben hatte.
Panik stieg in ihm auf. Er begriff, dass er festsaß und allein war. Er war tatsächlich entführt worden. Er hoffte, dass ihm der Spanier nur Angst machen wollte, ihn höchstens für ein paar Stunden festhielt und später wieder freilassen würde.
„Fuck …“, fluchte er. Doch seine Stimme versagte.
Das trockene Gefühl in seiner Kehle arbeitete sich langsam bis in seinen Rachen hinauf und löste dabei einen Reflex aus, der ihn unentwegt schlucken ließ. Er befeuchtete seine Lippen mit der Zunge und versuchte sich zu beruhigen. Jetzt in Panik zu geraten, half ihm nicht weiter.
Also atmete er tief durch und versuchte sich mit seiner Situation abzufinden. Ihm blieb nichts anderes übrig. So lange er nicht wusste, was die Typen von ihm wollten, konnte er nichts tun. Er musste jetzt Geduld haben. Wenn sich die Tür dann irgendwann öffnen würde, durfte er keinen Fehler machen. Er musste überlegt handeln und ebenso überlegt auf die Fragen antworten, die man ihm stellen würde.
Er legte seinen Kopf in den Nacken und lehnte ihn gegen die stählerne Tür. Als er für ein paar Sekunden seine Augen schloss, zuckte er erschrocken zusammen. Eigentlich hatte er an nichts denken wollen, doch die Erinnerungen an den Überfall bohrten sich wie von selbst in seinen Verstand und durchzogen ihn dabei wie ein elektrischer Schlag.
Er erinnerte sich nur an vereinzelte Szenen, die sein Kopf mit einem derart dröhnenden Lärm unterlegte, dass er sich kurz die Ohren zuhielt. Einen Moment später, als die Erinnerung verblasste, nahm er seine Hände wieder herunter und kam sich dabei vor, als hätte er bereits jetzt den Verstand verloren. Einzelne Bilder durchzogen seinen Kopf und erinnerten ihn an chaotische Rückblenden in Thrillern. Er sah sich auf dem Parkplatz an der Elbe stehen, dann das Auto im Rückwärtsgang auf ihn zusteuern. Als nächstes durchlebte er ein zweites Mal, wie er in den Schlamm gestürzt und sich dabei am Fuß verletzt hatte. Er sah den jungen Spanier, wie er sein Handy nahm, und gleich darauf befand er sich zurück auf dem Parkplatz und bekam das Taschentuch ins Gesicht gepresst. Die Erinnerungen jagten einen kalten Schauer über seinen Rücken. Sie machten ihm so zu schaffen, dass er schwer atmete. Mit jedem Atemzug unterdrückte er das Kitzeln in seinem Hals, das ihn zu einem neuen Hustenanfall aufforderte. Er sammelte immer mehr Speichel in seinem Mund zusammen, bevor er ihn in einem Schluck die Kehle hinunterspülte.
An seinen Schläfen pochte es permanent. Erneut hob er seine Hände und drückte seine Zeigefinger fest gegen seinen Kopf. Er wollte klare Gedanken fassen, doch gelang es ihm nicht. Und nur ein paar Sekunden später traf ihn ein weiterer elektrischer Schlag, der eine neue Erinnerung in seinem Verstand wachrüttelte. Die Bilder waren recht verschwommen: Alex sah sich auf der Rückbank des Autos liegen, seine Füße baumelten ihm Fußraum. Der Wagen kam abrupt zum Stehen und schleuderte ihn von den Sitzen. Dabei kam er zur Besinnung und öffnete die Augen. Etwas später riss jemand die Türen auf und zerrte ihn aus dem Inneren. Er erkannte das Gesicht nicht. Ein farbloser Schleier hing über seinen Pupillen und erschwerte ihm die Sicht. Er roch Zigarettenqualm und öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, schaffte es aber nicht, einen Laut hervorzubringen. Er wurde über sandigen Boden geschliffen und versuchte sich zu bewegen. Als er sich dann mit letzter Kraft von dem Fremden losriss, wurde er sofort zu Boden geschubst. Er landete im Dreck, rollte sich auf die Seite und schloss die Augen. Schritte näherten sich. Dann trat ihm jemand in den Magen, zerrte ihn gleich darauf am Jackenkragen hoch und schlug ihm brutal ins Gesicht.
An dieser Stellte endete die Erinnerung. Offenbar hatte er ein weiteres Mal sein Bewusstsein verloren.
Alex schluckte kräftig und fasste sich an den Magen. Jetzt begriff er, warum ihm derart übel war. Sein Bauch schmerzte wie bei einem starken Muskelkater. Als er mit seinen Fingern an seine Nase fasste, fühlte er getrocknetes Blut zwischen dem Dreck. Doch seine Nase schmerzte nicht, womit er zumindest in diesem unbedeutenden Punkt Glück gehabt hatte.
Die Dunkelheit machte ihn verrückt. Er überlegte, aufzustehen und nach einem Lichtschalter zu suchen. Doch sein Fuß schmerzte zu sehr. Er wollte sich erst einmal ausruhen und das Geschehene
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