Sommermond
in ein Gespräch. Ben schnappte ein paar Mal seinen Namen auf, als Jo über seine guten Leistungen schwärmte. Die Heuchelei verdarb ihm den Appetit. Er zerkaute die Kartoffel in seinem Mund und legte das Besteck schließlich zur Seite. Das leise Klirren, das dabei entstand, zog augenblicklich jegliche Aufmerksamkeit auf sich.
„Bist du schon satt, Schatz?“, fragte seine Mutter.
„Schmeckt es dir nicht?“, fragte Jo.
„Hast du wieder Schmerzen?“, fragte sein Vater.
Nur Nick saß schweigend da und warf ihm einen mitleidigen Blick zu.
Ben spürte Wut in sich aufkommen, wollte sich aber zusammenreißen. Am liebsten hätte er seine Meinung über den unwichtigen Smalltalk kundgetan, räusperte sich aber stattdessen und schob seinen Teller von sich weg.
„Ich werd‘ nachher mit meinem eigenen Auto zurückfahren“, sagte er dann.
Die Worte waren ihm schneller herausgerutscht, als er vorab über sie nachgedacht hatte.
„Was soll das, Ben?“, fragte sein Vater sofort. Er war ernst geworden. Seine Lippen bildeten eine schmale Linie.
„Entweder fahr‘ ich mit meinem eigenen Auto oder ich bleib‘ hier“, erwiderte Ben.
„Sei doch nicht albern!“ Sein Vater lachte gekünstelt auf, als wollte er Bens Worte als einen schlechten Witz abtun.
„Es ist völliger Quatsch mit einem fremden Auto zu fahren“, entgegnete Ben. „Wenn die rauskriegen wollen, wo ich wohn‘, kriegen die das auch raus. So oder so.“
„Willst du damit sagen, dass wir uns umsonst um alles gekümmert haben?“, fragte sein Vater.
Seine Mutter saß mit gesenktem Blick da und stocherte in ihrem Gemüse. Nick beobachtete die Szene wortlos.
„Ich hab‘ keine Lust, da oben ohne Auto zu hängen“, erwiderte Ben. „Wir wohnen in ‘nem Kaff. Ohne Auto sitzt man da doch fest!“
„Du solltest zur Zeit überhaupt nicht fahren“, mischte sich nun Jo ein.
„Macht, was ihr wollt“, gab Ben zurück, „aber ich fahr‘ mit meinem eigenen Auto.“
Er wusste nicht, warum er so sehr auf diesem Punkt beharrte. Er wusste auch, dass der angeheizte Streit überflüssig war. Trotzdem wollte er auf der Rückfahrt seine Ruhe haben und nicht zusammengepfercht mit Nick auf der Rückbank sitzen.
„Und was sollen wir Kommissar Wagner sagen?“, fragte seine Mutter.
Ben zuckte mit den Schultern. „Der kann mich ja nicht zwingen, in ein fremdes Auto zu steigen.“
Seine Mutter tauschte einen flüchtigen Blick mit seinem Vater, bevor sie nach ihrem Glas Weißwein griff und es mit einem kräftigen Schluck zur Hälfte leerte. Sein Vater stöhnte entkräftet auf und schüttelte ungläubig den Kopf. Natürlich war es unnütz, dass wenigstens seine Eltern den Leihwagen nahmen. Doch Ben kannte seinen Vater gut genug. Er würde es trotzdem tun. Aus Prinzip. Einfach, weil er sich gern an Regeln und Abmachungen hielt.
„Ich werd‘ ihn fahren“, mischte sich Nick nun ein.
Für einen aberwitzigen Moment glaubte Ben, dass Nick den Ersatzwagen meinte und sich als Chauffeur auftun wollte. Doch dann begriff er den eigentlichen Inhalt der Worte.
„Was?“, fragte Ben.
„Na, du kannst in deinem Zustand schlecht fahren. Ich werd‘ dich fahren. Das ist das Mindeste, was du an Hilfe annehmen solltest“, antwortete Nick.
„Er hat recht“, mischte sich seine Mutter wieder ein. „Wenn du schon deinen eigenen Weg gehen willst, sei jedenfalls in dieser Hinsicht vernünftig!“
Ben saß einen Augenblick regungslos da. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er zu Nick herüber. Dann nickte er.
„In Ordnung“, gab er nach.
„Na! Gut, dass das geklärt ist!“ Die ironischen Worte seines Vaters spiegelten pure Ärgernis wider.
„Lass gut sein!“, versuchte Bens Mutter ihn zu beruhigen und legte eine Hand auf seine Schulter. „Die Hauptsache ist doch, dass er mit uns zurückkommt. In Flensburg ist er erst mal gut aufgehoben.“
Ben lauschte den Worten. Für ihn klangen sie unbedeutend. Es war ihm egal, ob er in Sicherheit war oder nicht. In jenem Moment war ihm sogar sein Studium egal. Er wünschte sich nichts mehr, als noch einmal mit Alex sprechen zu können. Dieses Thema zerfraß ihn innerlich.
„Ben?“, hörte er seinen Namen rufen.
Irritiert blinzelte er und versuchte sich selbst aus den Fängen seines Gedankenkonstrukts zu befreien, schaffte es aber nicht.
„Ben?“, rief Jo erneut.
Schließlich schüttelte er sich und blickte auf. Jo schaute ihm fest in die Augen.
„Hat Alex sich gemeldet?“, fragte er.
Ben zuckte unberührt
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