Sommermond
Nachrichtensprechers agierte und der Welt folgendes kundtat: „Die kriminelle Bande war darauf bedacht, ihr Versteck geheim zu halten. Alexander Tannenberger, der ungewollt Opfer ihrer Machenschaften wurde, kam mit einem blauen Auge davon. Dazu mehr von Kriminalps y chologe Tannenberger.“ Dann ein Schnitt und ein anderes Ich von Alex vor einem neuen Hintergrund: „Wenn Täter eine gewisse Distanz zu ihren Opfern bewahren, ist das meist ein gutes Zeichen. Zahlreiche Statistiken belegen: Je weniger ein Täter von sich preisgibt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er seine Opfer am Ende unversehrt freilässt.“
„Verstehe …“, brachte er schließlich laut hervor.
Dann lehnte er sich in seinem Sitz zurück. Er saß so dicht an Juan, dass sich dessen Körperwärme auf ihn übertrug. Dadurch erholte er sich etwas von der Unterkühlung, wusste aber nicht, ob er die ungewohnte Nähe zu dem Fremden genießen sollte oder nicht. Es fühlte sich nicht richtig an, zumal Juan mitverantwortlich an alledem war, was ihm bislang widerfahren war.
Alex atmete tief durch und schwieg. Der Wagen fuhr mit geschätzten 100 km/h weiter geradeaus. Wenige Sekunden später zog Zigarettenqualm in seine Nase. Er öffnete seinen Mund einen Spalt breit und inhalierte ihn ein.
„Auch eine?“, fragte der Spanier.
Dabei konnte Alex sich bildlich vorstellen, wie der Südländer eine geöffnete Schachtel zu ihm nach hinten streckte. Obwohl er dieser Illusion nicht mit Sicherheit trauen konnte, streckte er beide Hände aus und tastete vor sich in der Luft. Und tatsächlich. Er erreichte eine Schachtel und fummelte sich eine Zigarette heraus.
„Danke“, sagte er dazu.
Das war nur höflich. Wirklich dankbar war er dem Spanier nicht. In keinster Weise. Diese lächerliche Zigarette war nicht mehr als ein kurzes Trostpflaster. Er drehte sie in seinen Händen und steckte sich den Filter zwischen die Lippen. Erst dann fiel ihm auf, dass er überhaupt kein Feuer hatte. Sofort nahm er die Zigarette wieder aus seinem Mund und kam sich recht dämlich vor. Sein Körper, der sich bereits auf die Nikotinzufuhr eingestellt hatte, resignierte sofort und ließ Alex laut aufseufzen.
„Warte, ich helf‘ dir!“, hörte er dann Juan neben sich.
Gleich darauf spürte er zwei warme Hände auf den seinen, wie sie ihm halfen, die Zigarette zurück an seinen Lippen zu führen. Gleich darauf vernahm er das Zischen eines Feuerzeuges.
„So. Jetzt“, sagte Juan.
Alex verstand und zog einmal kräftig. Mit Erfolg. Herber Rauch schlängelte sich durch seinen Hals und füllte seine Lungen. So lange, bis er ihn wieder auspustete. Erst als die erste heftige Wirkung allmählich abklang, bemerkte er, dass eine von Juans Händen noch immer auf der seinen ruhte.
Diese Erkenntnis jagte einen heißen Schauer durch seinen Körper, dessen Ursache er sich nicht erklären konnte. Juan musste schwul sein. Warum sonst war er derart um Alex bemüht? Doch Alex hatte kein Interesse an dem viel zu jungen Spanier. Die ungewöhnliche Reaktion seines Körpers war vermutlich auf den gewissen Reiz zurückzuführen, mit dem Juan spielte, indem er Alex derart berührte, während einen halben Meter weiter sein Boss saß, der dies mit Sicherheit nicht gutheißen würde.
Alex überlegte, ob er Juans Hand abschütteln sollte. Da die zwischenmenschliche Nähe ihm allerdings gut tat, entschied er sich letztendlich dagegen. Stattdessen tat er so, als ob er die Berührung nicht bemerkte und war bemüht, die betroffene Hand still zu halten.
Er nahm noch ein paar Züge von seiner Zigarette, bevor er sie am Filter aus dem Mund nahm und zu Juan hielt. Der nahm sie ihm ab, ließ das Fenster ein Stück nach unten und warf sie nach draußen.
Mittlerweile war der Verkehr stockender geworden, was mutmaßen ließ, dass sie sich zurück in der Innenstadt befanden. Der Spanier bog noch zweimal rechts ab, bevor er wendete, ein Stück rückwärts fuhr und den Motor schließlich abschaltete.
Alex fühlte sich wie in einem schwarzen Labyrinth. Er hatte keine Ahnung, wo sie waren. Sein eigentlich guter Orientierungssinn suchte nach weiteren Anhaltspunkten, doch draußen war es verhältnismäßig still. Er hörte, wie der Spanier den Schlüssel aus der Zündung zog und anschließend die Tür aufdrückte. Juan tat es ihm gleich. Er nahm seine Hand von Alex‘ Knie, löste den Gurt und schob die hintere Tür auf.
„Komm!“, forderte er Alex streng auf. Dass er bis vor wenigen Minuten mit Alex
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