Sommermond
ließ das T-Shirt unachtsam zu Boden fallen. Anschließend machte er sich an seiner Hose zu schaffen, zog sie samt Boxershorts herunter und kletterte mit seinen Füßen aus dem Stoffwirrwarr heraus. Daraufhin störte nur noch der Verband. Ben wusste nicht einmal, ob er mit seinen Verletzungen duschen durfte.
Nachdem er sich für ein paar Sekunden an den genauen Wortlaut des Arztes zu erinnern versucht hatte, schüttelte er gleichgültig den Kopf. Er musste duschen. Das hatte er seit Tagen nicht mehr getan. Dennoch nahm er sich vor, den alten Verband unter Wasser als Schutz anzulassen, um ihn erst danach in aller Ruhe zu wechseln.
Mit diesem Entschluss trat er zur Dusche, drehte das Wasser an und wartete, bis es warm wurde. Dann kletterte er in die enge Kabine und ließ sich von der wohltuenden Wärme umhüllen. Er wusch sich Gesicht und Arme und verrieb anschließend etwas Shampoo in seinen Haaren. Als er es ausspülte, sammelte sich weißer Schaum an seinen Füßen und wurde von dort aus vom Abfluss angesogen. Wolkenförmig sammelte er sich dort und sorgte dafür, dass sich etwas Wasser anstaute.
Der Verband an Bens Oberkörper sog die Nässe auf, klebte an ihm und spannte wie eine zweite Haut.
Ben versuchte nicht an seine Wunden zu denken. Denn jedes Mal, wenn er dies tat und sich ungewollt vorstellte, wie es unter dem Verband aussah, kroch ein kalter Schauer über seinen Rücken.
Nachdem er auch den übrigen Teil seines Körpers gewaschen und abgespült hatte, drehte er den Wasserhahn zu und ließ das überschüssige Wasser von seinem Körper tropfen. Er schob die Kabinentür auf und angelte sich das Handtuch. Mit ihm rubbelte er sich die Haare trocken und warf es anschließend über seinen Rücken. Dann kletterte er auf die kalten Fliesen und begann sich gründlicher abzutrocknen. Er schritt zurück zum Spiegel und wischte über einen Teil der beschlagenen Fläche. Als sich immer neues Wasser vom Verband wrang und über seinen Unterleib kroch, band Ben sich das Handtuch um die Hüften, um es auf diese Weise abzufangen. Dann suchte er nach dem Anfang des Verbands, löste ihn und wickelte ihn von seinem Körper.
Nach unzähligen Umrundungen hatte er es endlich geschafft. Notgedrungen schaute er an sich herab und hob eine Hand, um vorsichtig mit seinen Fingern über die Narben zu tasten. Die Berührungen taten kaum weh. Die starken Schmerzen kamen demnach von innen.
Er streckte die andere Hand aus und fischte sich ein Kosmetiktuch aus einer der Boxen, die seiner Mutter gehörten. Mit diesem tupfte er das rosafarbene Wasser von seiner Brust. Das alte Blut hatte sich mit Feuchtigkeit vermischt. Dann griff er nach der Salbe, drückte sich etwas der weißen Creme heraus und verteilte sie auf seinen Wunden. Erst als er damit fertig war und sich die Hände abgewischt hatte, nahm er eine frische Mullbinde, packte sie aus und verband sich neu.
Hochkonzentriert widmete er sich dieser Aufgabe und bekam deshalb nicht mit, dass jemand an die Tür klopfte. Erst als seine Mutter in den Raum trat, schreckte er hoch.
„Hier steckst du also!“, sagte sie laut.
Als sie sah, wie sehr er sich abmühte, eilte sie auf ihn zu und nahm ihm das Verbandsende aus den Händen.
„Warte, ich helf‘ dir!“, meinte sie dazu.
Ben nickte kaum merklich.
„Und lass den ganzen Kram bloß liegen!“, fügte sie nachdrücklich hinzu. „Ich räum‘ das später weg.“
Erneut nickte Ben.
Seine Mutter hielt den Verband mit der linken Hand fest und griff mit der rechten nach einem weiteren. Nachdem sie ihn aus der Verpackung befreit hatte, nahm sie ihn und überwickelte das Ende des ersten Verbandes.
„Johannes hat angerufen“, sagte sie dann. „Du sollst ihn nachher zurückrufen.“
Diese Information riss Ben sofort aus den Gedanken.
„Was?“, platzte es aus ihm. „Was hat er denn gesagt? Ist Alex wieder da?“
„Er wollte mit dir sprechen“, antwortete seine Mutter.
Bens Stirn legte sich in Falten. Sein Puls beschleunigte sich. Hoffnung stieg in ihm auf. Hoffnung, dass es Neuigkeiten von Alex gab. Doch gleichzeitig schlichen auch Sorgen in seinen Verstand, als er daran dachte, dass Jo auch schlechte Nachrichten für ihn haben könnte.
Seine Mutter klebte den Verband fest und schmiss die Plastikverpackungen in den Müll. Dann reichte sie ihm sein frisches T-Shirt. Gedankenverloren nahm er es an und streifte es sich über.
„Ich habe das Abendbrot in dein Zimmer gestellt“, sagte sie.
Ben wandte sich zu ihr. Er wollte
Weitere Kostenlose Bücher