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Sommernachts-Grauen

Sommernachts-Grauen

Titel: Sommernachts-Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Mennings
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‚Meier‘ nicht?“ Susi fing an zu lachen.
    „Ich, meine Liebe, beschäftige mich eben mit Anspruchsvollerem, als mit etwas so profanem wie Spielen.“
    „Ja klar, mein kleiner Intellektueller, du.“ Susi griff mit einer Hand in seine Haare und bewegte sie, als würde sie seine Frisur durcheinander bringen wollen, was faktisch nicht möglich war. „Wir sind ja auch alles nur Klippschüler und deiner gar nicht würdig.“
    „Könnt ihr jetzt endlich mal aufhören zu streiten?“, ging Ella dazwischen und erklärte Reiner in knappen Worten, ‚Meier‘ sei ein Kneipenspiel, bei dem am Ende viel zu viel getrunken würde und es darauf ankäme, seinem Nachbarn, dem man zwei Würfel verdeckt überreichte, klar zu machen, dass man durchaus höher gewürfelt hatte als der Vorgänger, aber immer noch so niedrig, dass der Nächste eine Chance hatte, dies zu überbieten. Das lief so lange, bis es eben nicht mehr zu überbieten sei, das sei der ‚Meier‘ und der würde alles schlagen. Keiner würde dieses Spiel so gut beherrschen wie Jan, so würde der eigentlich heißen.
    „So ein Quatsch“, sagte Reiner, „der hat sich doch seine Birne schon weggesoffen, sonst würde der sich nicht so einen Namen gefallen lassen.“
    „Wenn du meinst“, sagte Susi, die sich ihre Hand an der Hose abwischte und sie danach angewidert ansah, „du kennst dich sicher im Konsumieren alkoholischer Getränke bestens aus, dass du das beurteilen kannst. Und außerdem steht Meier auf Ella.“
    „Das stimmt doch gar nicht“, protestierte Ella.
     
    Inzwischen waren sie beim Alten Steinweg angekommen. Schon von Weiten konnte sie die Menschenmenge sehen, die sich regelmäßig vor dem Laden traf, in dem sich Ella seinerzeit die ‚Dr. Martens‘ gekauft hatte. Mädchen mit Pferdeschwänzen und weit schwingenden Petticoats präsentierten sich ebenso, wie ihre männlichen Begleiter, deren Haare mühevoll zu einer Tolle geformt worden waren.
    Ella fand diese Verkleidung relativ lustig, während sie für Susi geradezu lächerlich anmutete. Reiner enthielt sich grundsätzlich einer Meinung zu Mode, denn für ihn war das alles mehr als überflüssig. Die Gesellschaft hatte weitaus wichtigere Probleme zu bewältigen, als sich über die Farbe der Haare oder Kleidungsstücke im allgemeinen Gedanken zu machen.
    Sie wechselten die Straßenseite, da man sich nie sicher sein konnte, ob es nicht einige Kerle in der Gruppe der ‚falschen Fünfziger‘ darauf angelegt hatten, Ärger zu machen und einfach so und ohne Grund eine Schlägerei anzuzetteln. Normalerweise gab es keine Berührungspunkte. Jeder blieb in seinem Revier und respektierte die imaginäre Grenze.
    Seitdem es vor einigen Jahren die ‚Popper‘ hervorgebracht hatte, eine für Ella äußerst suspekte Ansammlung von Teenagern, deren Eltern über ein entsprechendes Einkommen verfügten, um ihren Sprösslingen ein Leben im Luxus zu ermöglichen, wurde die Ruhe in der Stadt gestört. Hatten sich zuvor ‚Punker‘ und ‚Teds‘ gehasst und bekämpft, war man sich  plötzlich einig über den gemeinsamen Gegner.
    Ella war das alles mehr oder weniger gleichgültig gewesen, da sie sich mit über 20 Jahren als erwachsen und nicht mehr als Zielgruppe empfand. Dennoch musste sie feststellen, dass es besser war, auf der Hut zu sein, um nicht unerwartet in eine Schlägerei zu geraten.
    Glücklicherweise waren diese Zeiten vorbei. Und doch hatten sie sich Sicherheitsmaßnahmen wie das Wechseln der Straßenseite zur Gewohnheit gemacht, ebenso wie Obacht, wenn man einen Streifenwagen der Polizei sah. Ganz egal, was man auch gerade dabei war zu tun, ein schlechtes Gewissen machte sich breit und man suchte das Weite, möglichst ohne entdeckt zu werden.
    In dem Moment, als Ella, Susi und Reiner in die Steinweg-Passage einbogen, vorbei am ‚Cotton Club‘, einer Jazz-Kneipe, die es bereits seit den frühen 50er Jahren hierher verschlagen hatte, erschütterte ein spitzer Frauenschrei das gesamte Viertel. Augenblicklich blieben sie stocksteif stehen. Susi erschrak furchtbar und lehnte sich instinktiv an Reiner, der schützend einen Arm um sie legte. Aufruhr schien sich in der hinter ihnen befindlichen Gruppe breit zu machen. Wer war das gewesen? Dieser Schrei fuhr allen durch die Knochen. Ella sah sich um, versuchte zu lokalisieren, woher er gekommen sein konnte.
    Die Gegend war noch immer verwinkelt, auch wenn die Sanierung des Viertels vor wenigen Jahren dafür gesorgt hatte, dass die letzten übrig

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