Sommernachts-Grauen
nassen Lider küsste. Als seine Lippen ihren Mund berührten, behielt er seine Zunge bei sich, küsste sie dennoch intensiv, geradezu liebevoll. Seine Hände strichen sanft über ihren Kopf.
„Komm“, sagte er, „lass uns ins Bett gehen.“
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Verlegen sah Ella Meier an, als er den Wagen eingeparkt hatte.
„Könnt ihr euch da vorn mal ein wenig beeilen? Mir schlafen die Beine ein.“
„Ich denke, du hast da hinten mehr als reichlich Platz?“, sagte Meier und lächelte Ella an.
Wieder wusste sie nicht, was dieser Blick zu bedeuten hatte. Als sie im ‚Café Malaria‘ ankamen, hielt Meier Susi und Ella die Tür auf. Susi betrat als erste das Lokal, gefolgt von Ella. Meier ging direkt hinter ihr und hatte eine Hand auf ihre Taille gelegt, führte sie damit freundschaftlich durch die Tür. Ihr aber war es, als hätte seine Berührung eine andere Bedeutung.
Tief in ihrem Unterbewusstsein krabbelte eine Erinnerung in ihr hoch. Ein leichter Schauer legte sich über sie. Susi hatte am Fenster einen freien Tisch gefunden und setzte sich unmittelbar. Ella drehte sie sich zu Meier und lächelte ihn an. Aber was sie sah, war die gewohnte Unverbindlichkeit eines guten Freundes.
Kapitel 9: Die Schwester
Als Ella den ersten Schluck ihres Kir Royals getrunken hatte, glaubte sie bereits vollkommen betrunken zu sein. Schnell stellte sie ihn vor sich auf den kleinen runden Tisch. Susi war nach wie vor bester Laune und Ella sich nicht sicher, ob es dem Umstand zu verdanken war, dass sie Reiner in der Eckkneipe zurück gelassen hatten.
Während Ella beschloss, es in der nächsten Stunde mit dem Alkohol etwas langsamer angehen zu lassen, hatte Susi ihren mit Cassis aufgepeppten Sekt bereits zur Hälfte geleert. Zudem schien ihr Appetit zurückgekehrt zu sein, denn sie bestellte sich tatsächlich gebackene Calamaris-Ringe. Sicher wäre es sinnvoll gewesen, wenn Ella ebenfalls etwas gegessen hätte, aber sie verspürte absolut keinen Hunger.
Ganz im Gegenteil rumorte es in ihrem Magen. Wahrscheinlich lag es noch immer an dem unglaublichen Erlebnis am frühen Abend. Meier hatte sich ein Weizenbier bestellt und war gerade dabei Susi zu erklären, warum er ausgerechnet ein für Hamburger recht eigenwilliges Getränk aus Bayern zu sich nahm, anstatt ein anständig gezapftes Bier zu trinken.
Dieser halbe Liter Bier sei zwar im Verhältnis deutlich teurer, aber es schmeckte hervorragend, vor allem an so einem lauen Sommerabend. Zudem sei die Scheibe Zitrone äußerst erfrischend. Und es sei eine höhere Kunst, dieses Bier in einem Schwung aus der Flasche gestürzt in das Glas zu bekommen, ohne dass es mit hohem Druck selbiges wieder verließ.
Ella hatte absolut keine Lust mehr, seinen Ausführungen zu folgen und sah sich in der schummrigen Umgebung der Kneipe um, denn auch wenn der Name auf ein Café schließen ließ, hatte diese Lokalität rein gar nichts damit gemein. Alles war mehr oder weniger schwarz. Der Fußboden, die Wände, die kleinen Tische und selbst der Tresen, alles schien ineinander überzugehen. In den Belag des Bodens hatte man kleine weiße Partikel eingearbeitet, sodass es wirkte, als hätte jemand eine Tüte weißen Konfettis geöffnet und in hohem Bogen verteilt.
Ella mochte diesen Laden, den sie erst durch Meier kennengelernt hatte. Seither verbrachte sie mehrmals am Wochenende einige Stunden hier. Teilweise kam sie zu unterschiedlichen Zeiten, denn das Lokal wurde von Freitag bis Montagmorgen nicht mehr geschlossen. Es war eine annehmbare Alternative zum ‚Gestern und heute‘, denn auch hier bekam man rund um die Uhr Frühstück und alles andere auf der Karte serviert.
Manches Mal saß Ella in den frühen Morgenstunden bei einem Sandwich – eine herrliche Abwechslung zum Croque – oder einen Rollmops, der sie schnell wieder auf die Beine brachte, wenn sie zu viel getrunken hatte und sie sich danach in der Lage sah, nach Hause zu wanken.
Außerdem wurde hier Musik gespielt, die ihrer Vorstellung von gutem Geschmack entsprach. Generell war sie eigentlich allem gegenüber aufgeschlossen. Sogar Nena konnte sie ertragen, auch wenn sie selbst nie auf den Gedanken gekommen wäre sich eine LP von ihr zu kaufen. Wenn sie Geld für Musik ausgab, dann eher für Simple Minds, The Cure oder Talking Heads.
Nachdem Ella in der Menge niemanden hatte ausmachen können, den sie kannte, widmete sie sich wieder ihren Freunden, die noch immer mit dem Thema Bier beschäftigt waren.
„Wie kann man sich
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