Sommernachts-Grauen
war ein Lied, das sie hier nicht erwartet hätte. Sah es zuvor so aus, als wäre der Reeder zu Besuch bei den Großeltern und die sicher schon im Bett liegen, öffnete sich nun eine Flügeltür und gab den Blick auf ein modern eingerichtetes Zimmer frei. Die Wände waren schwarz gestrichen worden, zum Schutz des Bodens lagen riesige Teppiche mit grafischen Muster in rot, weiß und schwarz auf ihm.
Ein überdimensionierter Glastisch stand mitten im Raum, um ihn drapierten sich einige Designstuhlklassiker. An einer Wand stand ein Artdéco-Sideboard auf dem sich die Skulptur einer blauen Welle auf und ab bewegte. Das Ausmaß des Raumes, den sie betraten, war ebenso weitläufig, wie das der Halle. Die Menschen in ihm wirkten geradezu klein gewachsen, da die Deckenhöhe entsprechend hoch war. Über allem leuchtete ein monströser Kronleuchter, dessen tausende Lampen den Raum bis in die letzte Ecke erhellten.
Meier hatte offensichtlich die Bar gefunden und kam mit ‚Grüner Wiese‘ auf sie zu.
„Hoffentlich ohne Wodka“, sagte Ella, als sie ihm ein Glas aus der Hand nahm.
„Keine Ahnung, hier gibt es einen Barkeeper.“ Er nahm einen kräftigen Schluck. „Okay, da ist eindeutig Wodka drin. Puh, was für eine Mischung.“
Ella nippte daraufhin nur leicht an ihrem Long-Drink und sah sich um. Überall sah sie kleine Grüppchen herumstehen, in einer Ecke wurde getanzt. Inzwischen hatte ein Mann, der wohl als DJ fungierte, die Maxiversion von ‚Talk Talk‘ der gleichnamigen Gruppe aufgelegt.
„Ihr entschuldigt mich kurz“, sagte der Reeder, „fühlt euch wie zu Hause. In den vorderen Zimmern gibt’s auch noch was zu rauchen, wenn ihr Bedarf haben solltet. Und in der Küche im Untergeschoss wartet ein Koch auf seine Aufgaben, solltet ihr Hunger verspüren …“
Johnny war schon lange verschwunden und hatte sich einer Frau genähert, die ihn voller Freude angesehen hatte. Anscheinend musste doch etwas an seinen sexuellen Fähigkeiten dran sein. Während sich Ella um die eigene Achse drehte, noch immer beeindruckt von dem Reichtum dieser Familie, sah sie aus dem Augenwinkel einen Mann, den sie hier niemals vermutet hätte. Das konnte eigentlich nicht sein. Sie musste eindeutig zu viel getrunken haben.
„Weißt du, wer da drüben steht?“, fragte Meier.
„Ich fürchte ja, aber das kann doch gar nicht sein.“ Ella sah genauer hin. „Lass uns einfach in ein anderes Zimmer gehen, hier ist ja schließlich Platz genug.“
Aber es war zu spät. Thomas hatte sich bereits auf den Weg zu ihnen gemacht.
„Was macht ihr denn hier?“, wollte er wissen.
„Das Gleiche könnte ich dich fragen. Wo steckt denn Susi? Ist sie auch hier?“
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Sein Schädel dröhnte und er hatte den Eindruck, als wäre sein Körper in einen Häcksler geraten, der ihn zurück auf die Straße gespuckt hatte. Kaum war er in der Lage, seinen Arm zu heben um sich an den schmerzenden Kopf zu fassen. Er fühlte Blut, das bereits anfing zu gerinnen. Das Licht war derart spärlich, dass er nicht erkennen konnte, wie es klebrig seine Hand verfärbte. Reiner versuchte sich umzusehen, zu erkennen, wo er sich befand. Er hatte vergessen, aus welchem Grund er hierher gekommen war. Gerade, als er sich aufsetzen wollte, bemerkte er, dass eines seiner Beine gebrochen war. Laut schrie er auf.
„Verdammte Scheiße!“
Mühsam zog er sich von der Mitte des Torweges an eine Wand und überlegte, was er tun sollte. Sicher wäre es sinnvoll, um Hilfe zu rufen. Auch wenn es noch warm war, der Boden kühlte ihn und er fing an zu zittern. Seine Zähne schlugen aufeinander, so sehr klapperte er damit. Aber vielleicht sollte er doch einfach kurz die Augen schließen. Er war so unglaublich müde. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er ein dringenderes Bedürfnis gehabt zu schlafen als in diesem Augenblick. Nur kurz, dachte er, dann wird mich bestimmt auch jemand gefunden haben.
Er legte den Kopf zurück, wollte ein letztes Mal sehen, ob nicht doch jemand zufällig vorbeikam, als er ein Paar Füße in der Dunkelheit liegen sah. Plötzlich fiel ihm wieder ein, wieso er hier war. Er hatte nach Susi suchen wollen. Aber dass er niedergeschlagen wurde, die Erinnerung war nicht mehr vorhanden. Dass es so sein musste, war ihm klar, aber warum und wer war das gewesen?
Unter Schmerzen versuchte er, sich den Füßen und dem daran hängenden Körper zu nähern. Als er die Hose erkannte, wurde ihm schlecht. Unmöglich konnte das sein. Das durfte nicht sein. Er
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