Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
»Kommst du morgen allein zurecht? Es ist Samstag, da kannst du wieder lang schlafen, obwohl ich es nicht zur Gewohnheit werden lassen würde. Ich bin zum Mittagessen außer Haus.«
Er stimmte murmelnd zu.
Am nächsten Vormittag beugte sie sich über sein Bett und küsste ihn auf die Stirn. »Auf Wiedersehen, Schatz«, sagte Claire. Sie trug ein neues Sommerkleid, eine zarte Goldkette schmückte ihren Hals, und ihr Haar war frisch geschnitten und frisiert. »Ich geh ins Moran’s. Ich denke mal, ich werde gegen drei zurück sein. Versuch, dich ansehnlich zu machen, okay, Liebling?«
Mit einem Stöhnen drehte er sich auf die Seite und vergrub den Kopf unter dem Kissen. Fünfzig Minuten später wachte er in Panik auf. Moran’s? War das nicht das Lokal, wo Bunny sich mit ihr zum Mittagessen treffen wollte? Die vergifteten Meeresfrüchte? Er klatschte sich Wasser ins Gesicht, sprang in einen alten Anzug, nahm ein Taxi quer durch die Stadt und traf deutlich nach ihrer verabredeten Zeit ein. Der Oberkellner versuchte, Phil aufzuhalten, und die Kellner und Gäste starrten ihn an, als er ins Restaurant platzte und die Tische nach seiner Frau und seiner Geliebten absuchte. In der hintersten Ecke, am weitesten von der Tür entfernt, saß Claire, deren Mundwinkel sich durch ein kleines Grinsen hoben. Sie war ganz allein, aber ein weiteres Gedeck lag auf dem Tisch, und die Vorspeise war bereits serviert. Keine Mörderin saß auf dem leeren Stuhl. Vielleicht war sie gerade dabei, den Hauptgang zu vergiften. Wie ein Verrückter stürzte Phil zu ihr. »Wo ist Bunny?«
»Phil, entsetzlich, wie du aussiehst. Bitte setz dich, du machst hier eine Szene.« Sie nickte dem Kellner zu, der ihm einen Stuhl zurechtrückte. »Iss etwas, dann fühlst du dich besser. Nimm die Rockefeller-Austern. Dafür würd ich sterben.«
Phil, der sich neben seine Frau setzte, starrte sie an, als hätte er keine Ahnung, wer sie war. Kurz darauf gesellte sich ein dicker Mann in einem Seersuckeranzug zu ihnen. Nachdem Claire ihn als Mr. Rosen vorgestellt hatte, schüttelten die beiden Männer sich die Hand.
»Bunny hat es nicht geschafft, Schatz«, sagte Claire. »Darum habe ich stattdessen Mr. Rosen eingeladen. Er erledigt ein paar Kleinigkeiten für mich. Bist du sicher, dass du nicht etwas essen möchtest, Philip? Sie haben nicht nur Meeresfrüchte, sondern auch andere Gerichte. Wie wäre es mit einem schönen Steak?«
Die Hälfte ihrer Worte war nicht zu hören, und er erfasste ohnehin nur allgemein den Sinn dessen, was sie zu sagen versuchte. Er konnte ausschließlich an Bunny denken und an ihren Plan, Claire zu töten, und wie er es beinahe hätte geschehen lassen. Er durfte es nicht geschehen lassen. Die Dinge waren außer Kontrolle geraten. In einer Minute küsste er eine wunderschöne Frau hinters Ohr und in der nächsten schwitzte er Blut und Wasser. »Nichts für mich, danke. Vielleicht nur einen Kaffee.«
Claire nickte dem Kellner zu, und der Kaffee wurde serviert. Die ganze Zeit sprach sie über etwas, das er nicht ganz verstand, es betraf den Umstand, wie sie und Mr. Rosen einander vorgestellt wurden und es dazu gekommen war, dass sie sich kennengelernt hatten. »… du siehst, Phil, Mr. Rosen hat für mich ein wenig Detektivarbeit geleistet. Ich hatte einen Verdacht, schon seit jenem Tag, als du zufällig Katie und ihre Freunde vor dem Kino getroffen hattest. Es war doch Die Brücke am Kwai , oder? Und wer ist da noch? Bunny! Ich hatte geglaubt, es sei ein Zufall, genauso wie du es Katie gesagt hattest, aber als sie dann erzählte, dass ihr auf sie, als sie euch beiden entdeckte, den Eindruck eines jugendlichen Highschool-Paars machtet, das man bei einem Rendezvous erwischt …«
Phil versuchte, sich jenen Nachmittag in Erinnerung zu rufen, während er an seinem Kaffee nippte, der zum Trinken viel zu heiß war.
»Mr. Rosen ist so etwas, was man im Film einen Privatschnüffler nennt. Gefällt dir nicht allein schon der Klang? Privatschnüffler?« Sie kicherte vor sich hin. »Egal, er ist dir in den letzten drei Monaten überallhin gefolgt.«
Nun war Rosen an der Reihe. Seine Stimme klang nicht schroff, wie Phil es erwartet hatte, sondern erstaunlich liebenswürdig und gut gelaunt, die Art Stimme, die in Leuten, die ihr zuhören, ein Gefühl von Freude und Sorglosigkeit auslöst. »Standardkram, wirklich. Untreue Ehemänner, das passiert alle naselang, und es geht nur darum, ihre Liebesspiele aufzunehmen, einige Fotos zu machen und
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