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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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Waters stürzte sich auf das Essen, und in der pechschwarzen Höhle klangen sein Schlürfen und Schmatzen wie von einem wilden Tier oder einem Monster. »Erzähl mir«, sagte er zwischen zwei Bissen, »was gibt es Neues? Wollen sie mich auf die Streckbank spannen?«
    »Sie suchen Euch, Mr. Waters, aber sie können Euch nicht finden. Ihr seid versteckt wie im Bauch eines Hundes, und die braven Männer der Mannschaft werden es nicht zulassen, dass Gates Euch jagt und hängt.«
    »Sapperment, Kind! Und warum auch! Denn es war ja kein Verbrechen, sondern ein Unfall.«
    »Das sagen sie alle, Mr. Chard und die Matrosen. Sie sagen, Samuell habe den Schlag herausgefordert.«
    »Edward Chard ist ein braver Mann mit einem handfesten Urteil. Wäre doch er und nicht Gates der König dieser Insel.«
    So spielte Long Jane den Boten, der Mr. Waters Essen und Nachrichten überbrachte – ein Geheimnis innerhalb ihres größeren Geheimnisses, dass sie ein als Junge verkleidetes Mädchen war. Oft hielt er sie lange in der Höhle zurück, weil er begierig nach Unterhaltung war und verzweifelt auf seine Begnadigung hoffte. Und nach zwei Wochen gab der Gouverneur nach, und Waters war frei. »Ich werde deine Gefälligkeit nicht vergessen, John«, sagte er. »Der Tag wird kommen, an dem du dafür belohnt wirst.«
    Und obgleich Gates bei Waters und anderen Meuterern Gnade walten ließ, entgingen nicht alle seinem strengen Regiment. Ein Mann namens Paine wurde später wegen eines Vergehens gehängt, eine Strafe, die rasch vollstreckt wurde; Mr. Waters spürte noch Wochen später den Phantomstrang um seinen Hals. Sechs blieben für immer auf – oder besser, in – der Insel: Außer Mr. Paine und Mr. Samuell waren es Jeffrey Briars, Richard Lewis, William Hitchman und das Baby, ein kleines Mädchen, das die Rolfes bekommen und auf den Namen Bermuda getauft hatten. Sie wurden in der Nähe von Sir Somers’ Garten begraben.
    Schon seit fast einem Jahr bauten sie an zwei kleineren Schiffen. Das eine nannte Gates Deliverance und das andere Somers’ Patience , beide wurden aus einheimischem Zedernholz und den restlichen Eichenplanken der Venture gefertigt. Jane arbeitete wie ein Junge bei den Schiffsbauern mit, wobei sie stets darauf achtete, sich gut zu tarnen und ihre Weiblichkeit zu verbergen; sich nie zu waschen; sich die Haare abzusäbeln, wenn sie zu lang wurden; zu schwitzen, zu fluchen, vorgeblich viel zu trinken und so schmutzig und ungehobelt zu wirken wie alle anderen Matrosen. Als die Cahows oder Teufelsvögel, wie sie wegen ihrer höllisch lauten Nachtschreie auch genannt werden – ein Lärmen gottloser Stimmen, das jeden Christenmenschen in Angst versetzt –, als diese Vögel ihre Nester bauten und Eier legten, schloss sich Jane den Jagdgesellschaften an, obwohl dies Jagd zu nennen das regelrechte Abschlachten dieser Vögel sportlicher klingen lässt, als es war. Sie waren so zahm, so zahlreich, so neugierig und so völlig ohne Furcht, dass die Männer mit Knüppeln zwischen den Nestern umherspazieren und Männchen wie Weibchen erschlagen konnten, hundert und mehr in einer einzigen Nacht, die in Wasser gekocht oder gebraten so gut schmeckten wie jede englische Gans. Die Vogeljäger kehrten, mit ihrer Verpflegung beladen, zum St. Catherine’s Beach zurück, und unter ihnen Jane mit der Last von zwanzig Vögeln oder mehr.
    Ihre wahre Natur entschwand wie Wasser in Wasser oder wie eine Palme im Winternebel, sie war verborgen, aber immer da, deutlich sichtbar. Alle kannten sie als einen Jungen ohne Herrn, denn Ravens war verschwunden. Sie hatte keinen wahren Freund außer Mr. Chard, der wieder einmal an sie herantrat, als der April dem Mai wich und die neuen Schiffe für seetüchtig erklärt wurden. Bei der Abendandacht kam er zu ihr und führte sie am Arm weg von den anderen an einen abgeschiedenen Ort hinter der strohgedeckten Hütte, die Mr. Buckes Kirche war.
    »Ich habe Lust zu bleiben«, sagte er ihr. »Warum soll man sich diesen wunderlichen, schlecht zusammengezimmerten Booten, die sen Nussschalen, ausliefern? Denk an Ravens, den besten Naviga tor unter uns, selbst er und seine Männer und das Boot liegen auf dem kalten, dunklen Meeresgrund.«
    Ihr schauderte bei der Vorstellung, und sie erinnerte sich an den Hurrikan und an eine Welt, die nur aus Wasser bestand. Warum nur hatte sie den »Mond und die sieben Sterne«, ihre Mutter und ihre vier jüngeren Schwestern verlassen?
    »Und was könnte in Virginia besser sein als das,

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