Sommernachtsgeflüster
ein paar Jahren alles haben würde ...«
»Er? Oder seine Bilder?«
»Und wir sind Ihnen natürlich furchtbar dankbar, dass Sie ihn für uns in Irland aufgespürt haben, doch Sie waren uns nur ganz wenige Schritte voraus. Edward und ich hatten schon unsere Fühler ausgestreckt und hätten ihn bald gefunden.«
Und einer dieser »Fühler« hieß Ben Jonson, ohne »h«, wie der Dichter. Thea begann zu zittern; sie musste wohl unter Schock stehen.
»Natürlich«, fuhr Veronica fort, »werden wir Sie im Katalog erwähnen, nicht wahr, Edward? Das wäre nur fair.«
Thea wusste, dass sie schnellstens diese Räumlichkeiten verlassen musste, wenn sie Veronica nicht an die Gurgel gehen wollte. »Ich denke, ich sollte mit Rory mal ein paar Worte über Fairness reden. Hättest du wohl einen Augenblick Zeit, Rory? Draußen?« Inzwischen klapperten ihr die Zähne, die Klimaanlage schien auf Hochtouren zu arbeiten.
Rory, dessen Gesichtsausdruck zwischen Verschlagenheit und Verlegenheit schwankte, war nur allzu bereit, Thea hinaus auf die Straße zu folgen.
Der süße, schmutzige Gestank der Stadt kurz vor dem Regen war nach Veronicas kräftiger Duftnote erfrischend. Thea stand ein paar Sekunden lang einfach da, atmete tief durch und versuchte, die körperlichen Symptome des Schocks zu beherrschen, die noch nachklangen, nachdem ihr Gehirn die Situation bereits akzeptiert hatte: Sie war von allen gründlich und restlos hintergangen worden. Sie hätte jetzt sogar Petal und Molly verdächtigen können, sich daran beteiligt zu haben.
»Wo willst du hin?«, fragte er.
»Ich will nirgend wohin! Ich will nur, dass du mir erklärst, warum du mich all die Mühe und die Kosten hast auf mich nehmen lassen, eine Galerie zu eröffnen, wenn du doch niemals vorhattest, in meiner Galerie auszustellen?«
Er blickte auf sie hinab und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Sollen wir nicht in einen Pub gehen oder sonst wohin? Irgendwohin, wo wir reden können?«
»Nein. Ich muss jetzt eine Weile an der frischen Luft bleiben.«
»Wenn du das hier frische Luft nennst ...«
»Mein Gott! Es gibt keine andere.«
»Lass uns in irgendeinen Park gehen.«
»Herrgott, Rory! Kannst du mir nicht einfach hier und jetzt erklären, warum du mich verraten und verkauft hast? Oder brauchst du als Künstler dazu irgendeine verdammte ländliche Umgebung?« Sie lief los - so schnell, dass sie kaum den entgegenkommenden Fußgängern ausweichen konnte.
Rory eilte ihr hinterher. »Gut, also kein Park. Aber geh bitte etwas langsamer.«
Thea konnte nicht langsamer gehen. Sie musste das Adrenalin abarbeiten, das in ihren Adern kreiste und sie mit Panik erfüllte.
Schließlich schaffte es Rory, zu ihr aufzuschließen. Er nahm ihren Arm - ein Versuch, sie zu beruhigen.
Thea ignorierte ihn, ließ ihn aber gewähren. »Also: Hattest du jemals vor, bei mir auszustellen?«
Genau in diesem Augenblick schien ein furchtbarer Donnerschlag die Welt zum Schweigen zu bringen, und gleichzeitig setzte ein warmer, kräftiger Regen ein und prasselte auf sie nieder.
»Jesses, Thea, das ist doch lächerlich! Lass uns irgendwo hineingehen.«
»Nein! Warum sagst du mir nicht einfach die Wahrheit? Letzten Endes kenne ich sie ja ohnehin schon. Ich will sie nur von dir hören, persönlich, von dem Künstler, für den ich mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt habe!«
Bemerkenswert schnell waren sie beide völlig durchnässt. Thea trug nur einen langen Baumwollrock und ein Shirttop. Nach ein paar Sekunden war selbst ihre Unterwäsche triefend nass. Der Regen klebte Rory das T-Shirt auf den Leib und betonte seinen herrlichen Torso. »Also?«, fragte sie.
Seit das Unwetter ausgebrochen war, verspürte sie nicht mehr den Drang, mit halsbrecherischer Geschwindigkeit vorwärts zu stürmen. An einer Straßenecke machte sie Halt, ohne weiter auf den Regen und die vorbeihastenden Menschen zu achten.
»Es war nicht so, wie es den Anschein hat! Ich hatte ...«
»Thea!«
Während sie sich umwandte, ging ihr auf, dass sie die traurige, schwache Stimme vorher schon gehört hatte.
»Thea! Du bist so schnell gelaufen, dass ich kaum mithalten konnte!«
»Toby! Liebling!« Er war ebenfalls völlig durchnässt, sein feines Haar klebte ihm am Kopf, und er zitterte heftig. Ohne zu überlegen, beugte sie sich zu ihm hinunter und schloss ihn in die Arme. »Was machst du denn hier?«
»Ich wollte verhindern, dass du wegläufst.«
Thea, die noch immer auf dem Pflaster in der Hocke saß und das
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