Sommernachtsgeflüster
»Die können doch nicht einfach schließen. Sie müssen ja gewusst haben, dass wir mit Toby zurückkommen. Veronica muss ganz außer sich sein vor Angst.«
»Mein Kindermädchen wird sich mehr Sorgen machen, nehme ich an.« Toby wirkte inzwischen selbst etwas ängstlich.
»Es ist schon gut, Toby«, besänftigte Thea ihn. »Wo ist Ben denn im Augenblick? Hier in London oder in Bristol?«
»Hier.«
»Wolltest du mit zu Veronica gehen?« Der Gedanke, dass Toby seine Zeit mit dieser Hyäne verbrachte, ließ Thea schaudern.
Toby schüttelte den Kopf. »Nein. Sie ist an diesem Wochenende zu beschäftigt und hat keine Zeit für mich. Deshalb haben wir sie in der Galerie besucht.«
»Warum ist sie denn dann nicht dort geblieben? Jetzt müssen wir überlegen, was am besten zu tun ist.«
»Wir sollten zusehen, dass wir ins Trockene kommen«, schlug Rory vor.
»Sollen wir dich nach Hause bringen, Toby? Oder zu Veronica?«
»Nach Hause, aber das ist meilenweit entfernt.«
»Warum in Gottes Namen ... ich meine, warum hast du denn Veronica in der Galerie besucht, wenn es von euch aus so weit bis dorthin ist?«
Toby zuckte die Schultern. »Ich glaube, sie dachte, es wäre schön für uns, wenn wir mit dem Bus fahren.«
»Weißt du denn noch, mit welchem Bus, Toby?«, fragte Rory. »Wir könnten dann den gleichen in die Gegenrichtung nehmen.«
»Wir mussten umsteigen. Es war eine sehr lange Fahrt.«
»Also, mir reicht es jetzt. Ich lege mich nun direkt vor Harrods auf die Straße, bis ein Taxi anhält.«
»Thea«, protestierte Toby, während sie ihn hinter sich herzog, »die sehen dich doch nicht, wenn du da liegst.«
»Also«, erklärte Rory wenige Augenblicke später, »die Art und Weise, wie du diese alte Dame beiseite gestoßen hast, hat mich leicht schockiert, Thea.«
»Ich habe sie nicht beiseite gestoßen, und sie war nicht alt. Sie war warm und trocken und hatte gerade eine sehr schöne Einkauftherapie hinter sich. Wir brauchten das Taxi dringender.«
»Es wird eine Menge kosten, den ganzen Weg zu uns nach Hause mit dem Taxi zu fahren«, vermutete Toby, der dem Fahrer seine Adresse genannt hatte.
»Die Einsicht kommt ein bisschen spät, mein Herr.«
»Und selbst wenn wir es uns vorher überlegt hätten«, erwiderte Thea, »hätte ich trotzdem das Taxi genommen.
Ich habe für heute genug von der Untergrundbahn. Selbst wenn es nur eine Fahrt bis zur nächsten Haltestelle war.«
Toby seufzte. »Glaubst du, alle werden furchtbar böse sein?«
»Ich denke schon. Die Menschen werden immer böse, wenn sie sich Sorgen machen. Aber es wird trotzdem alles gut werden. Sie werden außer sich vor Freude sein, dass du wieder da bist. Veronica wird dir vermutlich ein Megageschenk kaufen.«
»Ich glaube nicht, dass sie da sein wird. Sie kommt nie zu uns nach Hause. Dad und sie kommen nicht miteinander aus.«
»Vermutlich haben sie sich deshalb scheiden lassen«, bemerkte Rory.
Das Taxi hielt vor Tobys Haus, und Thea rechnete gerade mit dem Fahrer ab, als ein anderer Wagen vorfuhr und eine zu kleine Parklücke gegenüber dem Taxi ansteuerte. Thea suchte in ihrem Portmonee immer noch nach Pfundmünzen und achtete nicht darauf, aber Toby murmelte: »Oh. Da ist Dad. Er kommt heute aber früh.«
Thea wollte Tobys Dad nicht sehen, solange sie nicht einen schweren, stumpfen Gegenstand bei sich hatte, mit dem sie ihn erschlagen konnte.
Als das Taxi wieder losfuhr, hatte Ben es endlich geschafft, seinen Wagen einzuparken. Mit einem Gesichtsausdruck, der zum immer noch gewittrigen Wetter passte, stieg er aus und schlug die Tür zu.
»Dad!«
»Toby!« Ben schien die Straße mit einem einzigen Schritt zu überqueren. »Gott sei Dank, dass du da bist. Was zum Teufel war denn los?«
Toby löste sich aus der väterlichen Umarmung und mied den Blick seines Vaters.
»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete Thea. »Es ist nicht seine Schuld.«
Jetzt wurde Bens Zorn nicht mehr durch Erleichterung gemäßigt. Er ließ Thea all seine Wucht spüren. »Natürlich ist es nicht seine Schuld!«
Rory räusperte sich. »Wäre es nicht besser, wir gingen hinein? Es regnet immer noch in Strömen, und Toby ist klatschnass. Wir übrigens auch.«
Ben zog einen Schlüssel aus der Tasche und reichte ihn Rory. »Nehmen Sie den Jungen mit hinein und geben Sie ihm etwas Heißes zu trinken, wenn sein Kindermädchen nicht da ist. Und Sie« - zornig packte er Theas Schulter -»Sie kommen mit mir und geben mir eine Erklärung!«
Dieses
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