Sommernachtsgeflüster
geräumiger, als sie von außen gewirkt hatte, und nach der Hitze und dem Staub draußen als wunderbar kühl. Der Tag war immer heißer und schwüler geworden; ein Gewitter schien unvermeidlich zu sein. Thea würde sehen müssen, dass sie in einem Taxi saß und auf dem Heimweg war, bevor das Unwetter losbrach und kein Taxi mehr zu bekommen war.
Sie hatte Stimmen gehört und war - froh, dass niemand sie angesprochen hatte - den Schildern zur Ausstellung gefolgt, die die Treppe hinaufwiesen. Das Erdgeschoss konnte sie sich später ansehen, und auch der Besitzer mochte warten. Sie merkte gleich, dass es von den vielen Galerien, die sie gesehen hatten, die erste war, die sie tatsächlich mit Neid erfüllte. Sie hatte sehr wenig Zutrauen in ihre Fähigkeiten als Galeristin, aber sie war sich, was diesen Platz betraf, vollkommen sicher. Keine der anderen Ausstellungen hatte sie - weder mit ihren Räumlichkeiten noch mit dem Arrangement der Werke - so inspiriert wie diese. Das war in gewissem Sinne eine Erleichterung. Sie hatte schon befürchtet, sie sei einfach zu eifersüchtig auf die anderen Galeristen, um ihre Arbeit gerecht zu beurteilen. Nun wusste sie, dass sie erst jetzt etwas wirklich Erstklassiges sah.
Zu diesem Eindruck trug bei, dass sie die ausgestellten Werke mochte. Es war eine eklektische Sammlung von Bildern, Keramiken und dreidimensionalen Arbeiten. Zwar sprach sie nicht jede einzelne davon persönlich an, aber auch dann respektierte sie sie aus dem Gefühl heraus, dass die Kunst wohl nie über nette Bildchen von Kindern und balgenden Welpen hinausgekommen wäre, wenn sie immer der Anforderung hätte genügen sollen, schön anzusehen zu sein und jedem zu gefallen. Bei diesem Gedanken fragte sie sich ganz kurz, wie es wohl ihren eigenen Welpen gehen mochte.
Manche der Arbeiten liebte sie regelrecht. Es waren wundervolle Bilder, komponiert aus den reinsten Pigmenten, einem Rot von solcher Intensität, dass es aus manchem Blickwinkel schwarz wirkte, eingekerbt mit einem Hieb des Palettenmessers, sodass das Papier darunter zum Vorschein kam. Andere waren blau-schwarz, die Essenz des Nachthimmels auf der Fläche eines Quadratmeters.
Bei ihrem Rundgang nahm sie sich vor, dass sie nach dem gleichen Standard streben und in ihrer eigenen Galerie nichts Schlechteres ausstellen wollte.
Irgendwo wurde immer noch gemurmelt, doch sie hatte ohnehin vor, wieder ins Erdgeschoss zu gehen. Thea war neugierig, was sie dort erwartete. Wer in die leise Unterhaltung verstrickt war, konnte sie nicht sehen, weil die Stimmen aus einer anderen Abteilung kamen, mit der die Galerie sich offensichtlich in ein Nachbargebäude erstreckte. Zuerst ignorierte sie die Wortfetzen, die da an ihr Ohr drangen, und betrachtete ein sehr kompliziertes hängendes Stoffobjekt. Aber dann hörte sie ein vertrautes Lachen und wusste, dass sie ihr »Opfer« aufgespürt hatte. Den ganzen Tag lang waren Magenta und sie ihm nachgejagt, hatten nach ihm gefragt, hatten hier und da einzelne achtlos fallen gelassene Hinweise aufgeschnappt - und jetzt hatte sie ihn endlich gefunden.
Falls Rory seine Bilder hier ausstellen wollte, hatte er sie zumindest einer wunderbaren Galerie wegen verraten. Wenn es ihm nur um eine gute Adresse gegangen wäre ohne Substanz dahinter, hätte sie das noch mehr verletzt.
Sie musste sich genau überlegen, wie sie ihm gegenübertreten sollte. Was sollte sie vorbringen? Nur mit dem Fuß aufzustampfen und dem Galeriebesitzer zu erklären, es sei nicht fair, ihr Rory abspenstig zu machen, schließlich habe er versprochen, seine Bilder zuerst bei ihr auszustellen, würde keinen besonderen Eindruck machen. Vor allem nicht, wenn der Galerist fragte, wie denn ihre Galerie heiße und wo man sie finde. Wahrscheinlich verachtete er »die Provinz« genauso wie Magenta.
Es waren ihre Leidenschaft für Rorys Bilder und der Eindruck, den sie hinterlassen hatten, als sie sie zum ersten Mal gesehen hatte, die ihr den Mut gaben, die Sache weiterzuverfolgen. Angesichts dessen und der Tatsache, dass sie sich schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt und möglicherweise zum kompletten Narren gemacht hatte, schien ihr eine kleine Peinlichkeit in einer Galerie, die sie nie wieder besuchen würde, nicht mehr der Rede wert zu sein. Nur: Mit welchen Gründen konnte sie Rory möglicherweise dazu bewegen, seine Meinung zu ändern?
Sie wollte gerade zu ihm gehen und ihn zur Rede stellen - in der Hoffnung, dass ihr auf dem Weg noch irgendetwas
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