Sommernachtsgeflüster
Vernünftiges einfiel -, als eine andere Frau hereinkam. Sie ging an Thea vorüber, direkt dorthin, wo sich Rory und der Galerist unterhielten. Verflucht! Sich ein paar Nasenstüber einzufangen, war ja schön und gut, aber Thea hätte es vorgezogen, dabei keine unnötigen Zuschauer zu haben.
Die Frau kannte Rory offenbar. Thea konnte genau hören, wie sie sich Luftküsse zuwarfen. Rory lachte wieder. Das war, musste sie zugeben, sehr sexy, und nach dem Lachen, mit dem die Frau antwortete, schien sie es genauso zu empfinden.
Thea ging etwas näher an die Gruppe heran. Sie war jetzt in Sichtweite, sodass man es eigentlich nicht als Lauschen bezeichnen konnte, was sie tat. Allerdings war sie so gut wie unsichtbar, denn sie war nur eine etwas zerzauste Frau von Mitte dreißig, die sich für sie viel zu kostspielige Kunstwerke ansah.
»Also Rory, wann wirst du Edward die Bilder geben? Ohne sie kann er die Ausstellung schlecht planen. Wie sieht es aus?«, fragte die Frau.
Der Mann murmelte etwas, und wieder lachten alle.
Thea wünschte, sie hätte sich die Frau genauer angesehen oder könnte sie wenigstens jetzt sehen. Aber zumindest wusste sie nun, dass dies in der Tat die fragliche Galerie war, und es verschaffte ihr einige Befriedigung, dass sich die Bilder, die man hier ausstellen wollte, in ihrer Galerie befanden. Meist war ja der im Vorteil, der eine strittige Sache zunächst einmal in seinem Besitz hatte. Jedenfalls theoretisch.
»Ich habe es doch erklärt«, zog Rory sich aus der Affäre. »Es ist etwas schwierig. Ich habe dieser Frau versprochen, dass ich zuerst bei ihr ausstelle.«
»Darum brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen«, gab die Frau besänftigend und hartnäckig zugleich zurück. »Sie ist ja doch nur ein Niemand. Man kann nicht erwarten, dass Sie unter diesen Umständen Wort halten. Ich meine, sie hat Sie vielleicht dazu gebracht, ihr Ihre Bilder zu zeigen, aber das gibt ihr kein wie auch immer geartetes Recht darauf.«
»Nun ...«
»Sie hat doch keines davon gekauft, oder?« Diesmal klang die Stimme eine Spur verärgert.
»Sie hat das Rahmen der Zeichnungen und Skizzen bezahlt.«
Wirklich sehr schön, Rory, dass du dich daran noch erinnerst, dachte Thea.
»Dann brauchen Sie ihr bloß das Geld für das Rahmen zurückzuzahlen. Ein Scheck, und die Sache ist erledigt. Aber Sie brauchen doch nicht Ihre Bilder zu verstecken.« Ihre Stimme hatte jetzt etwas Gurrendes, und Thea hätte wetten mögen, dass sie sich inzwischen in irgendeiner Weise an Rory klammerte.
Thea wurde unruhig. Inzwischen lauschte sie definitiv. Rory wusste nicht, dass sie hier war, und er sprach von ihr. Wenn sie sich nicht bald zu erkennen gab, würde sie gar keine Gelegenheit mehr dazu haben.
Gerade als sie all ihren Mut zusammennahm, um irgendetwas Unschuldiges wie: »Oh, hallo, Rory, ich wusste gar nicht, dass du hier bist«, vorzubringen, sah sie zu ihrer großen Überraschung Toby und eine junge Frau in den Eingang der Galerie treten. Das war in gewisser Weise ein noch größerer Schock als das Zusammentreffen mit Rory. Im Nu war sie hinter einen auf einem Sockel stehenden, sich drehenden Kühlschrank getreten und blieb dort unentdeckt. Was zum Teufel tat Toby hier? Ganz bestimmt war er mit seinem Kindermädchen nicht auf einer Kunstexkursion.
Toby ging direkt auf die Frau zu und sagte höflich, aber merkwürdig distanziert: »Hallo, Veronica.«
Thea schlug das Herz bis zum Hals. Sie spürte, wie ihr das Blut zu Kopfe stieg und der Schweiß auf die Stirn trat.
Plötzlich kam sie sich vor wie das Opfer eines furchtbaren Plans. Keine Panik, befahl sie sich. Veronica konnte wer weiß wer sein; sie muss nicht seine Mutter sein. Es ist ein ziemlich gewöhnlicher Name - vermutlich.
Aber »Veronica« streckte die Arme aus und zog Toby an sich. »Hallo, Liebling. Du trägst ja das neue T-Shirt, das ich dir gekauft habe. Es sieht vielleicht besser aus, wenn du es in der Hose trägst.« Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Nur eine Mutter oder eine Lehrerin konnten einem Jungen sagen, dass er sein Hemd in die Hose stecken sollte.
Jetzt war für Thea der Augenblick gekommen. Sie trat hinter dem Kühlschrank hervor und räusperte sich. »Hallo«, sagte sie und wünschte sich, ihr wäre etwas Geistreicheres eingefallen.
»Thea!«, riefen Toby und Rory wie aus einem Munde.
Tobys Anwesenheit war es, die Thea zwang, ruhig zu bleiben. Solange er dabei war, konnte sie nicht schreien und kreischen und mit irgendwelchen
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