Sommernachtsgeflüster
furchtbar peinlich, als Mum meinte, er habe angeboten, meine Arbeiten zu sammeln.«
»Dann heißt es also jetzt nicht mehr ›Onkel‹?
»Ja. Er sagte, er sei eigentlich nicht mein Onkel, und ich solle ihn einfach Ben nennen. Für Molly war das ein kleiner Schock.«
»Aber Molly redest du doch nicht mit Molly an, oder?«
Petal schüttelte den Kopf. »Nein. Sie würde fuchsteufelswild werden.« Petal seufzte. »Ich gehe und trockne dann ab.«
»Danke, Petal. Du bist ein liebes Mädchen.«
Mehr durch die Schönheit der Bilder als durch den schwachen Sonnenschein erwärmt, hatte Thea Petal plötzlich richtig gern.
Thea hatte die Bilder lange genug angesehen und lag jetzt mit geschlossenen Augen im Gras. Die Sonne war hinter dem Wolkenvorhang hervorgetreten und brannte ihr heiß aufs Gesicht. Sie schlief fast, als Ben zu ihr trat. Sofort setzte sie sich auf und versuchte sich an einem intelligenten Gesichtsausdruck.
»Die Bilder sind gut, so viel steht fest.«
»Und Sie stimmen mir zu, dass sie ausgestellt werden sollten?«
»Ja, aber wo? Ich habe Kontakte zu einigen Galerien in London, doch die sind alle auf Jahre hinaus ausgebucht. Er sagt, er wolle nicht warten, sondern sie nach Amerika schaffen. Der Besitzer der Galerie, in der er seine erste Ausstellung hatte, besitzt auch in New York eine Galerie und würde ihn vielleicht gern noch einmal ausstellen, vor allem, da Rory inzwischen etwas reifer geworden ist.«
»Aber wie will er das zu Wege bringen? Er hat mir erzählt, dass ihn allein die Ausgaben für die Farben zu Grunde richten. Er würde auf Jahre Pferde und Hunde malen müssen, um den Transport nach Amerika bezahlen zu können.«
»Nicht, wenn er Dias der Bilder an die richtigen Leute schickt. Irgendjemand würde dann schon für den Transport aufkommen.«
Theas Zufriedenheit drohte sich in Luft aufzulösen. Sie hatte sich gewünscht, dass Ben Rorys Bilder gefielen. Sie hatte sich gewünscht, dass die Arbeiten wirklich so gut waren, wie sie sie fand, aber sie wollte nicht zulassen, dass diese Bilder nach Amerika verschwanden. »Es sind meine Dias. Oder es werden meine Dias sein, wenn ich sie abhole. Ich werde sie ihm einfach nicht überlassen.«
Ben seufzte. »Er kann sich doch jederzeit eigene Dias machen.«
»Wollen Sie denn nicht, dass die Arbeiten in Großbritannien bleiben? Oder in Irland?«
»Rory ist gar kein echter Ire, wie er mir erzählt hat. Er hat nur eine irische Persönlichkeit angenommen, weil er hier wohnt. Er ist in Liverpool zur Welt gekommen.«
»Ach. Und was hat das zu sagen?«
»Eigentlich nichts. Es heißt nur, dass er gern in England ausstellen würde, was die Sache etwas erleichtert, da ich dort Kontakte habe.«
»Aber durch diese Kontakte bekommt er nicht schnell genug eine Ausstellung?«
Ben zuckte die Schultern. »Ich kann mich erkundigen, doch es ist sehr unwahrscheinlich. Das Interesse an Kunst hat einen großen Aufschwung genommen, seit die Tate Modern eröffnet hat. Die Galerien sind jetzt alle für noch längere Zeit ausgebucht als jemals zuvor.«
»Können Sie denn nicht eine ganz neue Galerie auftun? Eine, die noch nicht ausgebucht ist?«
Ben sah sie an. »Nein. Ich habe einen Job und muss für ein Kind und ein Kindermädchen aufkommen.«
»Oh. Tut mir Leid.« Thea merkte, dass die Begeisterung mit ihr durchging und sie unvernünftig werden ließ. Sie seufzte und schloss die Augen. »Also, ich sage Ihnen was. Ich werde wohl selbst eine Galerie eröffnen müssen.«
Ben kicherte - in der Annahme, dass sie scherzte. »Selbst Sie wären dafür nicht verrückt genug.«
»Nein, es ist mein Ernst. Ich möchte eine Kunstgalerie eröffnen, um Rorys Arbeiten zu zeigen.« Es schien ihr plötzlich so offensichtlich, dass sie sich fragte, warum sie nicht schon früher daran gedacht hatte.
»Sie sind wirklich verrückt! Ich hatte angenommen, diese Rolle hätten Sie nur gespielt. Wissen Sie, welche Mieten Sie in London bezahlen müssen?«
»Das weiß ich sehr gut, da ich zufällig noch vor einigen Jahren dort gelebt habe. Aber wer sagt denn, dass die Galerie ihren Sitz in London haben muss? Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg zum Propheten gehen, jedenfalls heraus aus der Stadt.«
»Wovon reden Sie jetzt?«
»Ich werde in Cheltenham eine Galerie eröffnen - oder an irgendeinem vergleichbaren Ort. Wir werden dafür sorgen, dass L'art pour l'art in die Provinzen kommt!«
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